Süddeutsche Zeitung

Kernfusion:Fusionsreaktor Iter wird noch teurer

Lesezeit: 2 min

Der milliardenschwere Fusionsreaktor hat einen neuen Chef, Bernard Bigot. Er spricht Klartext. Statt ursprünglich 4,7 Milliarden Euro soll Iter mittlerweile etwa 15 Milliarden Euro kosten.

Von Robert Gast

Der Bau des internationalen Kernfusionsreaktors Iter in Südfrankreich wird offenbar noch teurer und wird noch länger dauern als gedacht. Das bestätigt der neue Direktor des Milliardenprojekts mit verblüffender Offenheit im Wissenschaftsmagazin Nature: "Weitere Verzögerungen und Kosten sind unvermeidlich", schreibt Bernard Bigot. Der Franzose ist seit März im Amt und hat weitreichende Änderungen im Management des Baus angekündigt.

In dem 29 Meter hohen und 8000 Tonnen schweren Reaktor sollen eines Tages Atomkerne verschmelzen, so wie im Inneren der Sonne. Berechnungen zeigen, dass sich auf diese Weise Strom gewinnen ließe. Aber das Großprojekt, an dem neben der EU auch China, Indien, Japan, Russland, Südkorea und die USA beteiligt sind, steht seit Jahren in den Schlagzeilen. Die Kosten, die zu 45,5 Prozent von der EU getragen werden, haben sich mehr als verdreifacht. Statt ursprünglich 4,7 Milliarden Euro soll Iter mittlerweile rund 15 Milliarden Euro kosten. Und auch die geplante Inbetriebnahme verzögert sich. Als der Vertrag zum Bau von Iter 2007 unterschrieben wurde, sollte der Reaktor 2016 in Betrieb gehen. Mittlerweile ist von 2023 die Rede.

Bigots Kommentar deutet darauf hin, dass auch dieses Datum noch zu optimistisch sein könnte. Zahlen nennt der Iter-Chef zwar nicht, aber er listet Probleme auf. Eines sei, dass Bauteile, die zusammenpassen müssen, eigenverantwortlich von verschiedenen Ländern hergestellt würden. Sieben von neun Sektoren des Reaktorgefäßes kämen zum Beispiel aus Europa, zwei aus Südkorea. Die Folge seien Missverständnisse und Kompetenzgerangel. Bigot will künftig stärker durchgreifen als sein japanischer Vorgänger. Auch will er Rücklagen in Höhe von 20 Prozent der Baukosten bilden, das Geld soll aus den Partnerländern kommen. Es sei "naiv" gewesen, den Bau ohne solch einen Notfall-Topf zu starten. Daneben forciert Bigot den Austausch: Auf sein Geheiß hin hätten sich Ingenieure aus Japan, Indien, Südkorea und China, die seit Jahren an denselben Bauteilen arbeiten, kürzlich zum ersten Mal per Videokonferenz ausgetauscht.

"Es ist bitter nötig, dass etwas passiert", sagt Sibylle Günter, Direktorin am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching, das Bauteile für Iter entwickelt. Die Idee bei der Planung des Reaktors sei gewesen, dass jedes der Partnerländer im Anschluss über die Technologie verfügt, einen eigenen Fusionsreaktor zu bauen. Die resultierenden Abstimmungsschwierigkeiten sind aus Günters Sicht - neben technischen Problemen - der Hauptgrund für die Kostenexplosion und die Verzögerung beim Bau. Es sei daher richtig, dass Bigot an dieser Stelle ansetze.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2516087
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.06.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.