Kernenergie:Atommüll unter die Erde in Australien?

Kernenergie: Atommüll unter die Erde in Australien? Umweltaktivisten protestieren.

Atommüll unter die Erde in Australien? Umweltaktivisten protestieren.

(Foto: Jens Wolf/dpa)

Das weltweit erste Endlager für radioaktiven Müll könnte in Australien entstehen - ausgerechnet im Siedlungsgebiet von Aborigines. Völlig absurd, findet Umweltaktivist Dave Sweeney.

Interview von Horst Hamm

Atommüll unter die Erde in Australien? Das Land selbst betreibt keine Atomkraftwerke, ist aber über den Uranabbau seit Jahrzehnten am Atomgeschäft beteiligt: Ein Drittel der weltweiten Uranreserven lagern in Down Under. Nun denken Politiker darüber nach, in der Wüste des Bundesstaates Südaustralien ein Endlager für hochradioaktiven Abfall zu errichten - in einer Region, in der vor allem Aborigines leben. Damit würden die Lebensgrundlagen von Ureinwohnern zerstört, sagt Dave Sweeney, Anti-Atom-Aktivist der australischen Umweltschutzorganisation Australian Conservation Foundation.

Herr Sweeney, wer in Australien ist an einem Atommüllendlager interessiert?

Sweeney: Die Idee stammt von Jay Wea­therill, dem Premierminister des Bundesstaates Südaustralien. Er beauftragte eine sogenannte Königliche Kommission, die Möglichkeiten zu prüfen und die Nuklearindustrie in Australien voranzubringen.

Von außen kann man nicht nachvollziehen, warum Ihr Land sich eine solche Last aufbürden will, obwohl es selbst kein Atomkraftwerk betreibt.

Australien ist der drittgrößte Uranlieferant der Welt. Aber weil Japan seit Fuku­shima fast alle Atomkraftwerke abgeschaltet hat, ist der Uranpreis im Keller - und den Bergwerksgesellschaften geht es schlecht. Nach Berechnungen der Kommission soll das Projekt in den nächsten 120 Jahren 257 Milliarden australische Dollar bringen, umgerechnet fast 180 Milliarden Euro.

Das ist eine Menge Geld. Wer würde daran verdienen?

Zunächst die Industrie. Es soll aber auch ein Pensionsfonds aufgebaut werden, wie dies Norwegen mit seinen Öleinnahmen gemacht hat. Der Bundesstaat Südaustralien würde dadurch quasi ewige Einnahmen bekommen.

Aus natur 03/2017

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In keinem Land der Erde gibt es bislang ein Endlager. Warum glaubt Australien, es zu schaffen?

Zunächst haben wir keinerlei Erfahrung mit hochradioaktivem Müll und die meisten Australier können überhaupt nicht einschätzen, welche Probleme wir uns damit holen. Manche denken dabei nur ans Geld, andere glauben, dass unser Land groß genug ist und ein Endlager weit genug weg wäre, sollte es Probleme geben. Wieder andere meinen, dass wir Australier eine große Bergbauerfahrung mitbringen und es deshalb für uns leicht sein müsste, in abgelegenen Regionen irgendwelche offenen Gruben zu finden, in die wir den Atommüll füllen können. Aber die meisten stellen genau diese Frage: Wenn Deutschland und die USA mit ihrer Finanzkraft und Ingenieurskunst nicht in der Lage sind, das Atommüllproblem zu lösen, warum sollten wir das können?

In welchen geologischen Formationen soll der Atommüll gelagert werden?

Bislang ist alles sehr vage. Kein Stakeholder und kein Befürworter hat ein detailliertes Konzept entwickelt. Wenn ich als Kritiker nach Details frage, werde ich vertröstet. Trotzdem sind diejenigen, die das Projekt vorantreiben, sehr zuversichtlich, wenn sie über die wirtschaftlichen Vorteile sprechen.

"Aborigines sind die Speerspitze des Widerstands"

Die Befürworter betonen stark, dass Australien eine Verantwortung für das Uran habe, das es exportiert.

Das ist doch absurd. Australien exportiert auch Eisenerz und Kohle. Niemand würde auf die Idee kommen, Eisenschrott oder Flugasche zurückzuholen.

Gibt es bereits erste Interessenten?

Die Kommission hat Südkorea, Taiwan und Japan als mögliche Kunden genannt, also die Länder, die Australien mit Uran versorgt. Aber letztlich wären alle Länder mit einem Atommüllproblem interessiert.

Wo soll das Endlager gebaut werden?

Details sind bislang keine bekannt. Aber in den dünn besiedelten Wüstenregionen Südaustraliens, die infrage kommen, leben vor allem Aborigines.

Was sagen die dazu?

Die Aborigines sind die Speerspitze des Widerstands. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden sie Opfer britischer Atombombentests. Heute kennen sie die atomare Gefahr und wehren sich in der sogenannten "No Dump Alliance", dem Bündnis gegen Atommüll.

Vor der Jahrtausendwende gab es schon einmal den Plan für ein Atommüllendlager in Australien. Warum ist der damals gescheitert?

Es gab Widerstand. Die Politiker erkannten, dass ihnen die Zustimmung fehlt.

Welche Folgen hätte es, wenn ein Endlager genehmigt würde?

Das Projekt würde nicht nur die Kultur der dortigen Aborigines bedrohen und auf ewige Zeit ein Sicherheitsrisiko darstellen, es hätte auch noch einen ganz anderen Effekt: Die Atomindustrie könnte weltweit mit Verweis auf Australien behaupten, die Endlagerfrage sei endlich gelöst und zum business as usual zurückkehren.

Lässt sich das Projekt noch stoppen?

Aber sicher! Ich und die "Australian Conservation Foundation" werden ihren Teil dazu beitragen. Gleichzeitig weiß ich, dass uns Atommüll noch lange beschäftigen wird - einfach deshalb, weil niemand eine Lösung hat.

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