Süddeutsche Zeitung

Kenia:Unter der Wüste wartet Wasser für Jahrzehnte

In Kenia haben 17 Millionen Menschen keinen ständigen Zugang zu Trinkwasser. Ausgerechnet in einer der ärmsten und trockensten Regionen des Landes haben Forscher nun zwei riesige unterirdische Reservoire mit Wasser entdeckt.

Von Tobias Zick, Nairobi

Es ist eine der ärmsten und trockensten Regionen Kenias, erst im vergangenen Jahr litten die Menschen in Turkana abermals unter Dürre und Hungersnot.

Die Sorgen, dass dies in absehbarer Zeit wieder passieren könnte, erscheinen nun plötzlich wie weggeblasen: Forscher im Auftrag der Unesco, der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, sowie der kenianischen Regierung haben unter den Wüsten im Norden des Landes zwei riesige Reservoire mit Grundwasser entdeckt - theoretisch genug, um nicht nur die durch Dürre geschundene Region selbst, sondern ganz Kenia mindestens über Jahrzehnte mit Wasser zu versorgen.

Die beiden sogenannten Aquifers wurden per Satellit und Radar aufgespürt, bei Bohrungen schoss dann tatsächlich Wasser empor - und Kenias Umweltministerin Judi Wakhungu verkündete, der Fund "öffnet die Tür für eine blühende Zukunft für die Menschen von Turkana und für die gesamte Nation". Schon in einem Monat könne das Wasser für die Bevölkerung in der Region verfügbar gemacht werden, später dann auch für die Bewässerung von Feldern und für die Industrie.

Und mittelfristig will die Regierung den Untergrund des ganzen Landes mit der in Turkana eingesetzten Technik der französischen Firma Radar Technologies International auf Wasser absuchen. Nach Angaben der Unesco haben derzeit 17 Millionen Menschen in Kenia - weit mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung - keinen ständigen Zugang zu Trinkwasser.

In Turkana leben etwa 700.000 Menschen, die meisten davon als Nomaden von ihren Kamelen, Ziegen oder Schafen. Erst im März 2012 wurden in der Region gewaltige Ölvorkommen entdeckt - was unter den Viehhirten allerdings nur mäßige Hoffnungen darauf geweckt hat, sie selbst könnten von dem Reichtum profitieren.

Das Grundwasser dagegen könnte nun sogar friedenstiftend wirken: In Konkurrenz um Weideland und Wasser bekämpfen sich immer wieder die verschiedenen Nomadenstämme gegenseitig, stehlen einander ihr Vieh, beinahe monatlich sterben dabei Menschen.

Der für Afrika zuständige Unesco-Hydrologe Abou Amani warnte jedoch davor, die Wasserreservoirs übermäßig auszubeuten; es müsse ein "vernünftiges Managementsystem" für die Ressource etabliert werden. Nach bisherigem Forschungsstand enthalten die Aquifers mindestens 250 Milliarden Kubikmeter Wasser, ungefähr so viel wie der Turkana-See, um den Kenia mit dem nördlichen Nachbarn Äthiopien wegen dessen Staudamm-Plänen im Streit liegt.

Entscheidend jedoch ist die Frage, in welchem Tempo sich die Reservoire wieder auffüllen. Aber auch da wecken die Forschungsergebnisse Optimismus: Nach derzeitigen Schätzungen könnten es etwa 3,4 Milliarden Kubikmeter jährlich sein, die aus dem Umland zufließen, mehr als das gesamte Land derzeit verbraucht.

Der Chef von Radar Technologies International jubelt deshalb, in zehn Jahren werde es in Turkana "kein Leid mehr geben, kein Sterben an Hunger oder Durst, die Menschen werden Schulen, Straßen und Farmen haben". Das ist freilich die Einschätzung eines Wissenschaftlers - andere, die auch die politischen Rahmenbedingungen Kenias in Betracht ziehen, äußern sich etwas gedämpfter.

Ikal Angelei, Vorsitzende der Bürgerrechtsorganisation Friends of Lake Turkana, sagt: "Während wir feiern, müssen wir dennoch vernünftig bleiben." Zunächst müsse man eine klare Bestätigung der jährlichen Zuflussmenge abwarten, "damit wir nicht die goldene Gans töten". Das Wasser müsse dringend geschützt werden vor "Spekulanten und skrupellosen Menschen, die es den Gemeinden wegzunehmen drohen".

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Quelle:
SZ vom 13.09.2013/mcs
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