Süddeutsche Zeitung

Klimakonferenz in Kattowitz:Gipfel mit schlechten Vorzeichen

  • Staats- und Regierungschefs haben sich im polnischen Kattowitz angekündigt, zur Eröffnung des UN-Klimagipfels am Montag.
  • Dort wollen die Staaten in den kommenden Tagen ein verbindliches Regelwerk für den Klimaschutz ausarbeiten.
  • Ein schwieriges Unterfangen, denn die Konferenz steht vor einem Berg ungelöster Fragen.

Von Michael Bauchmüller

Angela Merkel hat Besseres vor an diesem Montag. Mehr als zwei Dutzend Staats- und Regierungschefs haben sich im polnischen Kattowitz angekündigt, zur Eröffnung des UN-Klimagipfels. Doch der deutschen Bundeskanzlerin waren die 460 Kilometer Luftlinie zu weit. Schließlich empfängt sie im Kanzleramt Oberbürgermeister zum Dieselgipfel. Man muss Prioritäten setzen. Die Gastgeber sind verbittert.

Merkels Ausbleiben ist symptomatisch für die Konferenz. Nie waren die politischen Vorzeichen für einen Klimagipfel so schlecht. Und das bei einer Konferenz, die über den Wert des Pariser Klimaabkommens von 2015 entscheidet. Zwar haben sich die Staaten darin vorgenommen, die Erderwärmung möglichst weit unterhalb der Schwelle von plus zwei Grad Celsius zu stabilisieren. Offen ließen sie aber, wie sie sich gegenseitig kontrollieren wollen. Geplant sind nationale Klimaschutzpläne, die alle fünf Jahre überprüft und nachgebessert werden sollen. Doch könnten diese Pläne schnell wertlos sein, wenn niemand ihre Wirkung überprüfen kann. Notwendig ist also ein Regelwerk, auszuhandeln in Kattowitz, binnen zwei Wochen.

Die Bedingungen dafür hatten sich schon durch die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten verschlechtert. Das aber hatte bisher keine schlimmen Folgen für die Verhandlungen: Die USA wollen zwar auf Bundesebene nichts mehr vom Klimaschutz wissen, aber dafür sind einige US-Staaten umso entschlossener. Und die US-Klimadiplomaten haben die Gespräche zumindest nicht blockiert.

Brasilien fällt als Vermittler zwischen Industrie- und Schwellenländern aus

Umso schwerer wiegt der jüngste Rückschlag in Brasilien. Dort tritt im Januar Jair Bolsonaro als Präsident an, ein erklärter Gegner des Pariser Abkommens. Der Ultrarechte fürchtet um die nationale Souveränität des Landes, etwa bei der Ausbeutung der Amazonas-Wälder. Sein designierter Außenminister sieht im Pariser Abkommen das Werk "kultureller Marxisten", die letztlich die westlichen Staaten zugunsten Chinas schwächen wollten. Brasilien galt in den letzten Jahren als wichtiger Vermittler zwischen Industrie- und Schwellenländern, auch als Mitarchitekt des Pariser Abkommens. Das ist nun vorbei. In vorauseilendem Gehorsam hat die scheidende Regierung vorige Woche schon einmal die Klimakonferenz für das kommende Jahr abgesagt: Brasilien wollte sie ausrichten, jetzt fehlt angeblich das Geld.

Die miese Stimmung spiegelt sich in vielen Ländern, auch in Europa. In Deutschland kann die AfD keinen menschlichen Einfluss aufs Klima ausmachen, im Gastgeberland Polen regieren Freunde der Kohle. Von multilateralen Abkommen halten die Populisten Europas wenig.

Dem "Grünen Klimafonds" geht das Geld aus

Das sind miserable Bedingungen für eine Konferenz, die vor vielen ungelösten Fragen steht. Zweimal haben sich die Verhandler in diesem Jahr schon getroffen. Herausgekommen ist nur Stückwerk. "Das Kuddelmuddel ist ziemlich groß derzeit", sagt Susanne Dröge, die bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik die internationale Klimapolitik verfolgt. "Es gibt Vorschläge für Regeln, die alles andere als einheitlich und nachvollziehbar sind." Schon jetzt zeichne sich ab, dass nicht alle Fragen in Kattowitz gelöst werden könnten. "Die Frage ist dann nur: Sind es ausgerechnet die schwierigsten Themen, die ins nächste Jahr verschoben werden?"

Vieles hängt am Geld. Über den "Grünen Klimafonds" wollen Industrieländer dem Rest der Welt dabei helfen, rechtzeitig in saubere Technologien zu investieren. Vor allem private Investoren sollen das Geld aufbringen, unterstützt aus öffentlichen Kassen. Doch dem Fonds gehen die Mittel aus, die erste Runde zur Auffüllung ist gerade angelaufen. "Für die Entwicklungsländer ist ganz entscheidend, dass die Industriestaaten zu ihren Versprechen stehen", sagt Christoph Bals, Klimaexperte bei Germanwatch. "Da geht es um Glaubwürdigkeit." Das Ziel ist hoch: Die reichen Staaten sollen auf die Weise jährlich 100 Milliarden Dollar mobilisieren. Deutschland will dazu seinen bisherigen Beitrag verdoppeln, von 750 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro. "Nun müssen andere dem Beispiel folgen", sagt auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Reaktionen stehen noch aus.

Gastgeber Polen provoziert schon mit dem Austragungsort

In anderer Hinsicht dagegen dürfte Deutschland kleinlaut auftreten. In Kattowitz sollen die Staaten auch darlegen, was sie seit der Konferenz in Paris 2015 erreicht haben - und was sie sich bis 2020 vorgenommen haben. Deutschland, das sein Klimaziel absehbar verfehlt, hat da nur eine Kohlekommission vorzuweisen. Doch die hat ihr Ergebnis soeben vertagt. Und die EU wird auf ihre neue "Langfriststrategie" verweisen statt auf Konkretes. Geplant ist eine klimaneutrale Union - im Jahr 2050.

Als wäre das alles nicht vage genug, bleibt der Gastgeber das größte Rätsel. Eine Konferenz mitten im schlesischen Kohlerevier ist eigentlich eine Provokation für Klimadiplomaten. Polen will so den "gerechten Umbau" ins Zentrum stellen - in der Tradition der Solidarność, die für Rechte der Arbeiter stritt. Zu viel von dieser Tradition allerdings will Polen auch nicht: "Spontane Versammlungen" am Rande der Konferenz wurden durch ein Sondergesetz verboten.

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Quelle:
SZ vom 03.12.2018/hach
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