Karl Heinz Beckurts Stiftung:Wie entdeckt man gute Forscher?

Unter den Opfern der RAF war auch ein Wissenschaftler: Karl Heinz Beckurts wurde 1986 ermordet. Seit 20 Jahren vergibt die nach ihm benannte Stiftung einen Forschungspreis. Ein Gespräch mit seiner Witwe Ina Beckurts.

Patrick Illinger

Ina Beckurts ist die Witwe des 1986 von Terroristen ermordeten Karl Heinz Beckurts. Er war der einzige Wissenschaftler unter den Opfern der RAF. Zum Zeitpunkt des Attentats war Beckurts Forschungsvorstand bei Siemens. Zuvor leitete er das damals mit Kernforschung befasste Forschungszentrum Jülich. Die nach ihm benannte, vor 20 Jahren gegründete Stiftung vergibt jährlich einen mit 30.000 Euro dotierten Forschungspreis.

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(Foto: Foto: oh)

SZ: Frau Beckurts, fühlten Sie und Ihr Mann sich vor dem Attentat bedroht?

Beckurts: Schon in den 1970er-Jahren erhielten wir allgemein gehaltene Warnungen. Es war aber zunächst eine ungewisse Bedrohung, von der wir den Eindruck hatten, dass sie weiß Gott wen betrifft.

Aber wir haben uns damals gewisse Vorsichtsmaßnahmen angewöhnt, die ich noch heute habe. Ich erinnere mich vor allem, dass uns gesagt wurde: Wenn Sie in die Wohnung kommen - machen Sie zuerst alle Gardinen zu und Läden runter, bevor Sie das Licht einschalten.

SZ: Dann ist der Anschlag auf Ihren Mann auf der Straße geschehen. Er saß mit seinem Fahrer Eckhard Groppler im Auto, wenige Wochen nach dem Unglück von Tschernobyl. Sehen Sie da einen Zusammenhang?

Beckurts: Mein Mann war als Physiker bei der damaligen Kernforschungsanlage Jülich durchaus mit Kernforschung und Reaktorsicherheit befasst. Womöglich wurde das Thema Kernenergie von den Attentätern als Begründung gesehen, dass ein Mensch beseitigt werden muss. Bei Siemens hatte mein Mann aber damit nichts mehr zu tun. Dort war sein Thema Elektrotechnik, aber es wurde natürlich von den Übelwollenden so gesehen, dass er nun die ganze Elektronik macht, um Bomben zu zünden. Ähnlich irre Begründungen spielten ja auch bei anderen RAF-Opfern eine Rolle.

SZ: Das Attentat wurde nie richtig aufgeklärt.

Beckurts: Es wurde überhaupt nicht aufgeklärt.

SZ: Einen Verdächtigen gab es: Horst Ludwig Meyer, der 1999 in Wien erschossen wurde.

Beckurts: Ja, schon. Aber mir wurde nichts darüber gesagt. Ich habe mich einige Jahre nach dem Mord an Bundespräsident Roman Herzog gewandt und um Informationen gebeten. Dann kam ein Schreiben, wonach das BKA einen Verdächtigen habe: jener Meyer mit einer Adresse in Schwaben, wo er jedoch nicht anzutreffen sei. Was Wunder. Es war eine reine Vermutung, weil diese Person als Sprengstoffexperte galt.

SZ: Im Jahr nach dem Anschlag kam es zur Gründung der Karl Heinz Beckurts Stiftung. Wer gab den Impuls?

Beckurts: Ich hatte nicht das Geld, so eine Stiftung zu errichten. Aber mein Mann hatte ja einen großen Namen in der Forschung, und die damals 14 großen deutschen Forschungszentren, die heute die Helmholtz-Gemeinschaft bilden, haben spontan die Stiftung gegründet.

SZ: Das Preisgeld des jährlich ausgeschriebenen Forschungspreises ist ja stattlich mit je 30000 Euro für bis zu drei Forscher. Sind Sie an der Auswahl der Laureaten beteiligt?

Beckurts: Nein, ich bin ja nicht vom Fach. Ich kümmere mich als Ehrenmitglied des Kuratoriums um die menschliche Seite der Stiftung. Die Kuratoren sind Wissenschaftler, die das ehrenamtlich machen. Da muss man sich schon ein bisschen bemühen, damit alle die Lust behalten.

SZ: In diesem Jahr werden zwei höchst renommierte Forscher ausgezeichnet. Thomas Tuschl hat im vergangenen Jahr den Medizin-Nobelpreis knapp verpasst, und Axel Ullrich vom Max-Planck-Institut in Martinsried darf sich dank seiner Krebsmedikamente in den kommenden Jahren berechtigte Hoffnung auf den Nobelpreis machen. Gehen Sie bei der Auswahl auf Nummer sicher?

Beckurts: Wir hatten schon öfter Preisträger, die dann andere, größere Preise bekommen haben. Wir können nicht gute Leute aussuchen und gleichzeitig darauf achten, dass sie möglichst keine anderen Preise bekommen. In diesem Jahr hatten wir auch Peter Grünberg auf der Liste, wo schon ziemlich sicher war, dass er den Nobelpreis bekommt. Insgesamt wollen wir aber weniger ein Lebenswerk auszeichnen, als jemanden, der noch weitere Erfolge vor sich hat.

SZ: Ihre diesjährigen Laureaten sind Biotechnologen, das passt zum Bedeutungsgewinn der Lebenswissenschaften.

Beckurts: Es stimmt, hervorragende Forscher kommen zurzeit oft aus diesem Gebiet. Wir können das aber unmöglich zu einem Ausschlusskriterium machen.

SZ: Sie vergeben auch einen Lehrerpreis. Wie finden Sie jedes Jahr die 15 preiswürdigen Lehrer?

Beckurts: Es werden unendlich viele Organisationen angeschrieben und viele Institutionen wie Jugend forscht und die Landesolympiaden für Chemie, Mathematik, Physik. Sie alle empfehlen Kandidaten. Am Ende wird alles überprüft, damit nicht einer den anderen empfiehlt.

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