Kanadas Kyoto-Ausstieg:Armutszeugnis von Ottawa

Kanada steigt aus dem Kyoto-Protokoll aus, dem einzig gültigen Klima-Vertrag, und die anderen Staaten müssen hilflos zuschauen. Dieser Paukenschlag zeigt, wie löchrig der Klimaschutz wirklich ist. Die Welt braucht jetzt eine Alternative zu einem globalen Abkommen.

Jeanne Rubner

Ein Vertrag, den eine Partei brechen kann, ohne dafür bestraft zu werden, ist nichts wert. Das weiß jeder Hauskäufer. Kanada steigt aus dem Kyoto-Protokoll aus, dem einzig gültigen Klima-Vertrag, und die anderen Staaten müssen hilflos zuschauen. Für alle, die glaubten, man werde die Erderwärmung mit den Mitteln der Vereinten Nationen bremsen können, ist das eine bittere Erkenntnis. Kanadas Ausscheren hat dem UN-Konferenzzirkus die letzte Glaubwürdigkeit genommen. Wer Durban noch als Erfolg verbuchte, allein wegen des Beschlusses demnächst weiterzuverhandeln, wird durch den Paukenschlag in Ottawa eines Besseren belehrt.

Schon der Zeitpunkt des Kyoto-Austritts Kanadas - nur 48 Stunden nach dem Ende der Konferenz von Durban - ist eine Provokation. Die Begründung ist es ebenso. Kanada verweist auf China und die USA, die bei Kyoto nicht mitmachen - und lenkt so vom eigenen Versagen ab. Die konservative Regierung in Ottawa schafft ihre Kyoto-Ziele nicht. Statt Kohlendioxid einzusparen, hat sie es zugelassen, dass das Land immer mehr Treibhausgase produzierte. Das liegt allein am fehlenden politischen Willen. Ontario etwa exportiert Strom aus Wasserkraft in die USA, statt durch die Nutzung erneuerbarer Energiequellen heimische Kohlekraftwerke überflüssig zu machen. Überdies soll die boomende kanadische Ölsandindustrie geschützt werden. Die trägt erheblich zur miserablen Treibhausgasbilanz bei.

Fairerweise muss man sagen, dass Kanada nicht der einzige Klimasünder ist. Weltweit steigt der Ausstoß an Treibhausgasen. 2010 waren es sechs Prozent mehr als im Vorjahr, und selbst im Krisenjahr 2011 ist die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre gewachsen. Längst ist klar, dass trotz zahlloser Konferenzen die rote Linie der Klimaforscher überschritten wird: Das Ziel, bis 2050 den Anstieg der Temperatur auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, lässt sich nicht mehr halten. Denn dafür dürfte der CO2-Gehalt nicht ständig weiter steigen, sondern müsste binnen 30 Jahren um die Hälfte sinken.

Mit der Zwei-Grad-Marke hatte sich die Weltgemeinschaft ein richtiges Ziel und eine durchaus bestechende Marschroute gesetzt. Aus der Obergrenze für die Temperatur berechnete man eine Obergrenze für die Emissionen und ein CO2-Budget für die einzelnen Staaten. Diese Vorgehensweise hat einen großen Vorteil: Sie ist logisch und gerecht. Und sie hat einen entscheidenden Haken: die Realität.

Klimaschutz von unten

Zu viele Interessen kollidieren und lassen das Modell eines weltweiten Klimaschutzvertrages zusammenbrechen. Warum sollten China oder Indien, Kohlendioxid einsparen, wenn Kanada über Nacht den Ausstieg beschließen kann? Wer mag noch garantieren, dass Russland oder Japan, die das Kyoto-Protokoll nicht verlängern, einem neuen Klimavertrag beitreten?

Kanada steigt aus Kyoto-Protokoll aus

Kanada hat überraschend seinen Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll verkündet.

(Foto: dpa)

Gibt es etwas Besseres als einen UN-Vertrag? Nein. Doch nun, da Kanada und andere Länder nicht bereit sind, den Preis für eine klimaschonende Energieversorgung zu zahlen, braucht die Welt wohl eine Alternative zu einem globalen Abkommen. Mag sein, dass die Klimasünder angesichts der Folgen zunehmender Dürren und Überschwemmungen eines Tages zur Vernunft kommen.

Bis dahin aber bleibt der Weltgemeinschaft nur der Klimaschutz von unten: Möglichst viele Staaten müssen sich eigene Ziele setzen; Länder können sich zusammentun und eine Koalition der Willigen bilden, die Klimasünder mit Steuern oder Zöllen bestraft. Unternehmen und Verbraucher müssen erkennen, dass Klimaschutz ihnen langfristig nutzt, weil er sie zwingt, mit knapper werdenden Rohstoffen sparsam umzugehen.

Am Ende geht es um einen Ressourcen-schonenden Konsum. Der Klimaschutz bleibt notwendig, doch er besteht fortan aus vielen Lösungen - statt aus einem Vertrag.

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