Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen Malaria:Mücken an der Nase herumführen

An einem Impfstoff gegen die Arme-Leute-Krankheit Malaria haben Pharmafirmen wenig Interesse. Forscher suchen daher nach anderen Wegen.

T. Baier

Der Erreger der Malaria sei ein furchtbarer Gegner, sagte kürzlich die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, Margaret Chan. Ein australisches und ein amerikanisches Forscherteam haben jetzt aber neue Strategien im Kampf gegen die Krankheit entwickelt.

Ein bis zweieinhalb Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Malaria; eine Million davon sind Kinder unter fünf Jahren, die südlich der Sahara geboren wurden. Weil die meisten Opfer in Afrika leben, gibt es in der westlichen Welt kaum ein Bewusstsein für die verheerenden Auswirkungen der Krankheit. "Obwohl Malaria seit fast 5000 Jahren dokumentiert ist und vor der Erfindung von Pestiziden auch in Europa verbreitet war, wird heute in den Industrienationen mehr Geld für die Bekämpfung von Haarausfall ausgegeben als für den Kampf gegen Malaria", sagte Bill Gates, der den Kampf gegen die Krankheit mit seiner Stiftung unterstützt, vor kurzem in einem Interview.

Ein australisches Forscherteam hat jetzt einen neuen Angriffspunkt beim Erreger der Malaria gefunden, dem Einzeller Plasmodium, der von Anopheles-Stechmücken beim Blutsaugen übertragen wird (Nature, Bd.463, S. 627, 2010). "Der Eiweißstoff Plasmepsin V sichert das Überleben der Erreger im Körper des Menschen", sagt Alan Cowman vom Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research in Melbourne. Die Plasmodien dringen in die roten Blutkörperchen ein und programmieren sie so um, dass ihnen die menschliche Immunabwehr nichts mehr anhaben kann. Eine Schlüsselrolle bei diesem Vorgang spielt Plasmepsin V. "Wenn wir Medikamente finden könnten, die Plasmepsin V blockieren, würde der Malaria-Parasit sterben", sagt Alan Cowman.

Einen anderen Weg im Kampf gegen die tödliche Krankheit hat ein Forscherteam der Yale University eingeschlagen, dessen Ergebnisse in derselben Nature-Ausgabe veröffentlicht worden sind. Die Wissenschaftler um den Biologen John Carlson haben mehr als zwölf Geruchsrezeptoren bei der Malariamücke Anopheles gambiae identifiziert.

Mit Hilfe dieser Moleküle erkennen die Mücken ihre menschlichen Opfer und suchen sich eine geeignete Stelle zum landen und stechen. "Einige dieser Rezeptoren könnte man benutzen, um das Verhalten der Mücken zu beeinflussen und sie vom Menschen abzulenken", sagt Carlson.

Er hofft, dass aufgrund seiner Erkenntnisse neue Insektenschutzmittel entwickelt werden können, die die Mücken abschrecken, verwirren oder in Fallen locken. Die beste Waffe gegen die Malaria wäre allerdings ein Impfstoff, an dem Biologen seit Jahrzehnten arbeiten. Dass sie bislang erfolglos waren, liegt nur zum Teil an der großen Wandlungsfähigkeit des Erregers, der sich schneller verändert, als die Wissenschaftler forschen können.

Ein wichtiger Grund für das Scheitern ist auch das Desinteresse der meisten großen Pharmaunternehmen. Denn die Entwicklung eines Malaria-Impfstoffs kostet viel Geld, bringt aber kaum etwas ein. Malaria ist eine Arme-Leute-Krankheit, deren Opfer für Medikamente oder einen Impfstoff kaum etwas bezahlen können.

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Quelle:
SZ vom 04.02.2010/beu
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