Kampf gegen Aids:"Deutsche sind nicht sorgloser"

Die Zahl der HIV-Neuinfektionen steigt. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, über Kondome und Risikobewusstsein.

C. Frank

SZ: Frau Pott, trotz millionenschwerer Aufklärungskampagnen stecken sich immer mehr Deutsche mit Aids an. Wird das Virus nicht mehr ernst genommen?

Pott: Die Einschätzung der Gefährlichkeit hat stark abgenommen: Als die Epidemie Ende der 80er ausbrach, hielten 87 Prozent der Bevölkerung Aids für eine der gefährlichsten Krankheiten. Im Jahr 2007 glaubten das nur noch 29 Prozent.

SZ: Also sind die Deutschen sorgloser geworden?

Pott: Nein. Die sinkende Gefahreneinschätzung geht mit der realistischen Erkenntnis einher, dass Aids nur dann gefährlich ist, wenn man sich nicht schützt. Aber das tun die Menschen immer besser: Im vergangenen Jahr war der Kondomabsatz mit 215 Millionen Stück so hoch wie nie. 81 Prozent der Menschen schützen sich bei Beginn einer neuen Beziehung. Und 98 Prozent der Deutschen sind gut über die Ansteckungswege von Aids informiert.

SZ: Schöne Zahlen. Trotzdem gibt es jährlich 2.800 Neuansteckungen.

Pott: Aber damit liegt Deutschland auf dem europaweit besten Platz. Nirgendwo sonst sind die Infektionsraten so niedrig.

SZ: Führen gerade solche Meldungen zu mehr Risikobereitschaft?

Pott: Man kann nicht ausschließen, dass es einzelne Menschen gibt, die risikobereiter werden. Das ist aber nicht der Hauptgrund für die Neuinfektionen. Die große Mehrzahl der Menschen verhält sich verantwortungsbewusst. Allerdings steigt seit einigen Jahren die Zahl anderer sexuell übertragbarer Infektionen. Wer zum Beispiel an Tripper oder Syphilis erkrankt ist, steckt sich viel leichter mit Aids an.

SZ: Wie wirkt sich die bessere Behandelbarkeit auf den Umgang mit Aids aus?

Pott: Menschen mit Aids leben damit besser und länger und können wieder Sex haben. Das ist ein weiterer Grund für die weitere Ausbreitung von Aids. Aber der Großteil der Bevölkerung, 72 Prozent, ist über HIV-Behandlungsmöglichkeiten gar nicht informiert. Also geht damit auch keine Leichtsinnigkeit einher. Anders wird es mit einer neuen Impfung wohl auch nicht sein- sofern die irgendwann verfügbar wäre.

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