Süddeutsche Zeitung

Kambodscha:Größte vorindustrielle Stadt entdeckt

Die berühmte Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha war nach neuen Forschungserkenntnissen einst von der wohl größten vorindustriellen Siedlung umgeben.

Um die berühmte Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha hat ein internationales Forscherteam jetzt "die größte vorindustrielle Siedlung der Welt" entdeckt. Demnach erstreckte sich die Besiedlung um Angkor Wat über gut 1000 Quadratkilometer, berichtet das Archäologenteam um Damian Evans von der Universität Sydney in den Proceedings der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS).

Die Ruinen aus der Zeit vom 9. bis 16. Jahrhundert waren über ein komplexes Bewässerungssystem miteinander verbunden, heißt es weiter. Mithilfe von Radarmessungen der amerikanischen Weltraumbehörde NASA gelang es den Forschern, eine Karte dieser Siedlungen zu erstellen.

Aus den Erkenntnissen über das komplexe Bewässerungssystem, das zum Reisanbau diente, schlossen die Wissenschaftler, dass sich die Stadt von ihrem Zentrum aus etwa 20 bis 25 Kilometer nach Norden und Süden ausdehnte - bis an die Ufer des nahe gelegenen Sees Tonle Sap. Auf dieser Fläche könnte etwa eine halbe Million Menschen gelebt haben, sagte der Autor der Studie, Damian Evans von der Universität Sydney. Allerdings gebe es auch Anzeichen, dass ein Teil des Gebiets nur spärlich bewohnt gewesen sei.

Die Wissenschaftler vermuten zudem, dass die Größe der Stadt zu erheblichen Umweltproblemen führte. "Angkor war groß genug und die landwirtschaftliche Nutzung intensiv genug, dass eine Reihe schwerer Umweltprobleme entstanden sein könnten", sagte Evans. "Wir haben Hinweise für Deichbrüche und kurzfristige Reparaturen an Brücken und Dämmen entdeckt, die darauf hindeuten, dass das System mit der Zeit nicht mehr handzuhaben war", erläuterte er weiter.

Abholzung, Überbevölkerung, Bodenerosion und Fluten könnten die fatale Folge für die mittelalterliche Bevölkerung gewesen sein, schloss er weiter aus den Erkenntnissen.

Die Anlagen von Angkor Wat, die im 12. Jahrhundert vermutlich unter der Herrschaft von König Suryavarman II. erbaut wurden, gelten als größtes religiöses Bauwerk der Erde und als einzigartiges Zeugnis der Khmer-Kultur. Die UNESCO hat die Ruinen 1992 zum Weltkulturerbe erklärt. Sie liegen rund 240 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Phnom Penh.

Das Team mit Experten aus Australien, Kambodscha und Frankreich trug für das Projekt jahrelang Daten aus alten, handgemalten Karten, Bodenvermessungen, Luftaufnahmen und Radarmessungen mit Instrumenten der amerikanischen Weltraumbehörde NASA und des Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (Kalifornien) zusammen. Aus ihnen erstellte es die erste Karte von der "größten Siedlung der Welt aus der vorindustriellen Zeit" rund um den Tempel Angkor Wat. Schlüsse über den Fall des mittelalterlichen Imperiums in Südostasien ließen die Daten vorerst nicht zu.

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dpa/AFP
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