Jesus-Grab in Jerusalem:Die DNS des Herrn

"Titanic"-Regisseur James Cameron will in einem Dokumentarfilm belegen, dass ein Grab in Jerusalem die letzte Ruhestätte Christi ist. Doch die Schlüsse des Filmemachers sind äußerst zweifelhaft.

Peter Lampe

Pünktlich zur Passionszeit warten ein Oscar- und ein Emmy-Preisträger mit Schlagzeilen auf. Produzent James Cameron (,,Terminator'', ,,Titanic'') und Dokumentarfilmer Simcha Jacobovici werden am Sonntag ihren Film ,,The Lost Tomb of Jesus'' über den Discovery Channel flimmern lassen.

Fand hier Christus seine letzte Ruhe? Die umstrittene Grabstätte

Fand hier Christus seine letzte Ruhe? Die umstrittene Grabstätte

(Foto: Foto: dpa)

Zu Karfreitag wird er einige deutsche Zuschauer auf ProSieben im Sofa erschlagen. Zugleich dürfen wir uns über das locker gestrickte Buch ,,The Jesus Family Tomb'' die Augen reiben. Vorgeblich neue wissenschaftliche Erkenntnis wird auf TV-Kanälen und in Büchern für die Kaufhausauslage vorgetragen. Silberlinge klimpern im Hintergrund.

Dabei fing alles harmlos an. Im März 1980 stießen Bauarbeiter im Osten des Jerusalemer Viertels Talpiyot auf ein antikes Felsengrab. Yosef Gat vom Department of Antiquities setzte zur Notgrabung an.

Zwischen dem Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts und dem Jahre 70 nach Christus, dem Fall Jerusalems im Jüdischen Krieg, hatten in der Gruft etwa 35 jüdische Tote die letzte Ruhe gefunden, etwa die Hälfte in zehn Ossuaren.

Dergleichen steinerne Knochenkisten waren bei Jerusalemern fast ein Jahrhundert lang bis zum Jahr 70 beliebt. Verstorbene wurden wie Jesus von Nazareth in ein Grabtuch gehüllt und in einem Felsengrab beigesetzt. War der Leichnam verwest, betteten die Angehörigen die Gebeine in ein Ossuarium.

Viel Phantasie

Sechs der Gebeinekistchen tragen Inschriften: ,,Jeshua (Jesus) Sohn des Jehosef', ,,Jehuda Sohn des Jeshua'', ,,José'', ,,von Mariamene alias Mara'', ,,Marja'' und ,,Matja''. All dies wusste die Wissenschaft seit 1994/96, als die Grabung publiziert wurde.

Es bedurfte der Phantasie von Filmemachern, um daraus Schlagzeilen zu machen: Hieß nicht ein Jesusbruder Joses? Kennen wir nicht Maria, Jesus, Josef, Judas, Matthäus aus dem Neuen Testament? Matja kürzte Matitjahu/ Matthäus ab.

Gut, der Evangelist Matthäus scheidet aus, denn der begann nach dem Jüdischen Krieg Material für sein Evangelium zusammenzusuchen und starb auch nicht darüber. Aber ein galiläischer Zöllner und Jesusjünger hieß Matthäus. Wurde ausgerechnet der als einziger der Jünger in Jesu Gruft beigesetzt? Verwandt war er nicht.

Die Filmemacher legten die Matthäus-Karte geschwind wieder aus der Hand und wandten sich den beiden Marias zu. Mariamene sei Maria Magdalena und Marja die Jesusmutter. Mariamene variiert Miriam/Marjam/Marja, den gebräuchlichsten Namen für Jüdinnen der Zeit. Namenszusätze wie Mara halfen, die vielen Marien zu unterscheiden.

Keine der beiden neutestamentlichen Frauen kann bei näherem Hinsehen gemeint sein. In den Quellen des 1. Jahrhunderts lautet der Namenszusatz der Jesusjüngerin durchgehend Magdalena: ,,die aus Magdala''. Warum wurde dieser Usus auf dem Ossuar verlassen? Warum wurde ein anderer Aliasname verwendet, der für sie sonst nirgends belegt sich findet?

Mara kürzt Martha ab. Wäre Mara der Titel ,,Herrin'', wie die Dokumentarfilmer vorschlagen, dann ärgerte das ,,alias'' in der Inschrift (,,Mariamene alias Mara''). Warum wäre der Titel ihr beigelegt worden, während ,,Herr'' dem Jesus der Gruft nicht zustand? Warum hätte die aramäischsprachige Magdalena vom galiläischen Lande als Einzige in der Jerusalemer Gruft eine griechische Inschrift gewidmet bekommen und als fast einzige ein Ossuarium, das sowohl beschriftet als auch ornamentiert ist? Dem Jesus der Gruft wurden solche Auszeichnungen nicht zuteil. Ein Paket von Ungereimtem fällt auf die Waage.

Desaströse Versuche

Da hilft es nichts, DNS-Spuren aus dem Jesus- und dem Mariamene-Ossuar zu untersuchen, eine gemeinsame Mutter auszuschließen und tollkühn zu behaupten, die beiden seien wohl verheiratet gewesen: Etwa siebzehn Männer in der Gruft kommen als Ehemänner der Mariamene in Frage!

Die Filmer greifen also nach einem letzten Strohhalm, den legendarischen Philippusakten aus dem 4. Jahrhundert, die eine Jesusjüngerin Mariamne vorstellen. Dem Text geht Quellenwert für das 1. Jahrhundert ab. Auch ist nicht klar, ob die Autoren der Legende mit ihrer Mariamne die Maria Magdalena meinten. Nirgends erwähnen sie die übliche Herkunftsangabe Magdala.

Die DNS des Herrn

Ähnlich desaströs gestaltet sich der Versuch, die Jesusmutter in der Gruft bestattet zu finden. Auf dem Ossuar steht Marja/Maria, die uns geläufige lateinische Version des Namens. Doch wurde die Mutter Jesu zu Lebzeiten nie so angeredet. Die griechischen Texte des Neuen Testaments bezeichnen die Mutter durchgehend mit dem semitischen Mariam. Warum wäre dieser Usus auf dem Ossuar verlassen worden?

Filmemacher Simcha Jacobovici

Simcha Jacobovici berichtet über seinen spekulativen Film.

(Foto: Foto: dpa)

Erotische Phantasie

Jehuda (Judas), Sohn des Jesus, trägt den drittbeliebtesten jüdischen Namen in hellenistisch-römischer Zeit. Dass Jesus von Nazareth einen Sohn gehabt hätte, findet beim Thrillerautoren Dan Brown offene Ohren, in historischen Quellen nirgends Anhalt.

Die Mär einer Romanze zwischen Jesus und Magdalena entsprang der erotischen Phantasie gnostischer Asketen des zweiten und dritten Jahrhunderts. Der Historiker des ersten Jahrhunderts vermag Spuren erotischen Flackerns zwischen dem Nazarener und der Frau aus Magdala nicht zu entdecken.

So bleiben José und Jeshua als letzte Opfer des Identifikationsseifers. Der Jesusbruder Joses bietet sich an. José und Joses verkürzen Jehosef. Dagegen fällt das Kartenhaus bei Jesus selbst in sich zusammen.

Ausgerechnet Jeshua stellt den am schlechtesten lesbaren Namen auf den sechs Ossuaren dar. Ausgerechnet diese Inschrift wurde am schludrigsten in flüchtiger Kursive gekratzt, in nur oberflächiger Ritzung. Jeder der vier aramäischen Buchstaben des Namens bleibt unklar.

Würde die Lesart dennoch zugestanden, begännen die Probleme erst: Nirgends finden sich Hinweise auf christliche Nutzer, nicht einmal der aramäische Gebetsruf der frühesten Christen, ,,Maranatha'' (,,Unser Herr, komm!''), mit dem sie die Wiederkunft Jesu zum Weltende herbeisehnten.

Nur Kreise und Rosetten zieren die Ossuare. Nirgends zeigt sich eine Verehrung des Jesus. Allenfalls ein münzengroßes Graffito auf dem Deckel des Jesus-Ossuars, ein X mit einem dritten Strich, könnte als hingekritzeltes Sternchen gedeutet werden, wenn das X nicht die flüchtig hingeworfene Marke des Steinmetzen war, die auch auf dem Ossuar selbst sichtbar ist, während der dritte Kratzer zufällig sein mag.

Das reicht nicht, um hier den ,,Stern aus Jakob'' von 4. Mose 24 zu begrüßen. Professionell geschnittene Ornamente zieren die Mariamene- und Judah-Ossuare, nicht aber die ,,Jesus''-Knochenkiste. Diese wurde nicht einmal prominent aufgestellt.

Ostern bleibt Ostern

Wenn sich keine vernünftigen historischen Argumente beibringen lassen, wird die Statistikdame aufs Parkett gebeten. Am pseudowissenschaftlichen Arm geführt, entblößt sie sich als willfähriges Mädchen. So argumentieren die Filmemacher, die Kombination der an sich sehr häufigen Namen Mariamene, Maria, José und Jesus Sohn Josefs besitze eine Probabilität von 0,2 Prozent.

Nach dem hier Ausgeführten aber dürfte die Statistikdame allenfalls gefragt werden, wie wahrscheinlich es war, das Paar José/Jesu Sohn Josefs nochmals anzutreffen. Dann landeten wir bereits über der 50-Prozent -Marke.

Die Krone, aber keinen Doktorhut setzen sich die Dokumentareiferer auf, wenn sie spekulieren, das 2002 berühmt gewordene Ossuar des ,,Jakob Sohn Josefs Bruder Jesu'' sei aus dem Jesus-Mausoleum gestohlen worden. Die Patina entspreche der der Ossuare aus Talpiyot. Das ist falsch.

Die methodisch beste Analyse der Patina kam zu dem Ergebnis, dass das Jakob-Ossuar mindestens 200 Jahre lang nicht der Atmosphäre einer Höhle, sondern Wind, Wetter, Sonne, auch Wasser ausgesetzt war, sodass die Patina sich anders ausnimmt.

Wenigstens in theologischer Hinsicht erledigten die Filmer die Hausaufgaben: Das Entdecken einer Gebeinekiste Jesu werde nicht, sagen sie, den christlichen Osterglauben herausfordern. Der Apostel Paulus hielt fest, ,,Fleisch und Blut'' würden im Auferweckungsakt nicht wiederbelebt. Gott ist in seinem Neuschaffen des gestorbenen Menschen, so glauben viele Christen, nicht auf Moleküle des alten Körpers angewiesen.

Unser Autor ist Ordinarius für Geschichte des Frühen Christentums und Neutestamentliche Theologie an der Universität Heidelberg. Zuletzt erschienen von ihm die Bücher ,,Küsste Jesus Magdalenen mitten auf den Mund?'' (2007) und ,,Die Wirklichkeit als Bild: Das Neue Testament als ein Grunddokument abendländischer Kultur'' (2006).

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: