Süddeutsche Zeitung

Walfang:Warum Japan wieder Wale jagt

Lesezeit: 2 min

Von Christoph Neidhart

Tokio habe die Nachricht einfach "ans Jahresende geschmuggelt", beschwerte sich Greenpeace - da seien die internationalen Medien weniger aufmerksam. Tatsächlich dürfte Japans Regierung wenig Interesse daran haben, dass groß herauskommt, was sie am Zweiten Weihnachtstag bekannt gab: dass Japan nämlich aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) austritt, um den kommerziellen Walfang wieder zulassen zu können. Tokio wies den Greenpeace-Vorwurf zurück: Der Beschluss stehe schon länger fest, und der Austritt müsse zum 1. Januar gemeldet werden, damit der Walfang im Juli beginnen könne.

Beim Kongress der IWC im September wollte Japan die Zulassung des seit 1987 verbotenen kommerziellen Walfangs durchsetzen - und scheiterte. Nun kehrt Tokio der Kommission den Rücken, obwohl es sonst stets auf die Einhaltung von internationalem Recht pocht.

Die IWC war 1948 geschaffen worden, um den Walfang zu regeln. Die großen Walfangnationen - die USA, die Sowjetunion, Großbritannien und Norwegen - hatten da bereits die Meere geplündert, Wale waren fast ausgestorben. Dazu hat Japan nicht beigetragen. Die Japaner waren bis 1872 anderthalb Jahrtausende lang Vegetarier, es gab keine Viehzucht und kaum Jagd, der Konsum von Fleisch war nur in Ausnahmen erlaubt. Die Jesuiten, die im 16. Jahrhundert Japan missionierten, hielt man für Barbaren, weil sie mit Ziegen und Schweinen unter einem Dach lebten und diese dann schlachteten. Lange jagten japanische Fischer nur jene Wale, die sich in ihre Bucht verirrt hatten. Mit dem Flottenwalfang begann Nippon erst nach dem Zweiten Weltkrieg - auf Drängen der US-Besatzer, da die Bevölkerung an akutem Proteinmangel litt.

Seither hat Japan nicht mehr aufgehört, Wale zu jagen - auch nicht nach dem Verbot 1987. Es benannte die Waljagd einfach um in "wissenschaftlichen Walfang". Nach einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag von 2014 ist diese vermeintliche Wissenschaft bloß ein Deckmantel. "Kommerziell" war Japans Walfang gleichwohl nicht. Die Regierung bezuschusste ihn mit jährlich 40 Millionen Euro. Dafür erbeutete die Fangflotte vor der Antarktis und im Nordpazifik jährlich bis zu 5000 Tonnen Walfleisch, das nach der angeblichen Beforschung in den Verkauf gelangte.

Premier Shinzo Abes Regierung falle mit dem Austritt aus der IWC "aus dem Takt der Zeit", meint Sam Annesley von Greenpeace Japan. Doch so paradox es klingen mag: Der Austritt der Japaner ist auch ein Erfolg für den Tierschutz. Denn Tokio will künftig auf den Fernwalfang vor der Antarktis und im Nordpazifik verzichten und nur noch Küstenwalfang betreiben. Wie Norwegen, Island und Grönland will Japan lediglich in der eigenen Wirtschaftszone Wale fangen.

Tatsächlich ist die Nachfrage nicht groß, die Mehrheit der Japaner isst gar kein Walfleisch. Trotzdem fragen sich manche, warum ausgerechnet der Westen, der die Wale fast ausgerottet hat, ihnen nun vorschreiben will, was sie essen dürfen. Manche Kommentatoren vermuten deshalb, dass es Japan beim Austritt aus der IWC weniger um Walfleisch geht als darum, sich vom Ausland nichts diktieren zu lassen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4265632
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.12.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.