Zerstörung von Irans Atomanlagen:Welche Folgen ein israelischer Angriff hätte

Günter Grass warnt davor, Israels Politik könnte zur Auslöschung des iranischen Volkes führen. Aber welche Auswirkungen hätte ein Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen wirklich?

Markus C. Schulte von Drach

Viel Kritik muss Günter Grass dafür einstecken, dass er in seinem Gedicht "Was gesagt werden muss" davor warnt, Israel würde einen Erstschlag gegen Iran in Erwägung ziehen, der das iranische Volk auslöschen könnte.

Grafik Iran Israel

Es sind mehrere Flugstrecken für einen israelischen Angriff auf Iran denkbar. Ohne Hilfe der USA gilt der Erfolg einer solchen Operation aber als unwahrscheinlich.

(Foto: SZ Grafik)

Ein solcher Angriff auf Iran hätte das Ziel, die Nuklearanlagen Irans zu zerstören, um das Land daran zu hindern, Atomwaffen zu entwickeln. Welche Folgen aber hätte ein Angriff auf die nuklearen Anlagen für die iranische Bevölkerung?

Es gibt eine ganze Reihe von Zielen, die zerstört werden müssten, weil sie eine Bedeutung für das Atomprogramm haben. Eines der wichtigsten ist die unterirdische Anreicherungsanlage von Natans. Hier befinden sich Tausende von Ultrazentrifugen, mit denen seit 2010 durch Flugabwehrsysteme geschützt Uran angereichert wird. Aus dem Produkt lässt sich mit relativ wenig Aufwand auf 90 Prozent angereichertes, waffenfähiges Uran herstellen.

In Fordo bei Qom wird inzwischen eine zweite große Anreicherungsanlage betrieben, die 90 Meter tief im Fels liegt. Weitere Angriffsziele wären eine Produktionsstätte von Brennstäben in Isfahan und eine Anlage in Arak, wo Schweres Wasser hergestellt wird, wobei Plutonium entsteht, das für eine Atombombenproduktion genutzt werden könnte.

Dann gibt es das Atomkraftwerk Buschehr, weitere Urananreicherungsanlagen in Ghom, ein Nuklearforschungszentrum in Karadsch, wo es auch Anreicherungsanlagen geben soll. Darüber hinaus stehen Militäranlagen wie in Parchin im Verdacht, dass dort am Atomprogramm gearbeitet wird.

Anders als 1981 und 2007, als israelische Kampfflugzeuge die irakische Nuklearanlage Osirak und dann eine ähnliche Anlage in al-Kibar in Syrien zerstörten, wäre ein Ende des iranischen Atomprogramms nicht mit einem einzigen Angriff zu erreichen. Insgesamt müssten dazu nach Expertenmeinung in Iran mindestens zwölf Anlagen zerstört werden, die über das ganze Land verteilt sind.

Welche Folgen ein solcher Angriff hätte, hängt davon ab, auf welche Waffen die Israelis zurückgreifen würden. Tatsächlich gab es in der Vergangenheit bereits israelische Stimmen, die forderten, Atombomben einzusetzen. So bezeichnete etwa der israelische Historiker Benny Morris 2008 in der österreichischen Zeitung Der Standard den Einsatz einer solchen Waffe als letzte Chance, das iranische Atomprogramm zu stoppen - bevor Iran sein Land zerstören würde.

Die meisten Experten können sich einen solchen Angriff jedoch kaum vorstellen. Auch hat Israels Regierung bislang darauf verzichtet, mit seinen Atombomben zu drohen.

Wahrscheinlicher ist ein Angriff mit konventionellen Waffen, also Bomben und Langstreckenraketen oder der Einsatz von Spezialkommandos. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel daran, dass das israelische Militär allein zu einer solchen Operation in der Lage ist. "Die erheblichen Entfernungen und die Befestigungen der iranischen Nuklearanlagen machen jeden massiven Überraschungsangriff von Israel im Alleingang zu einer hochriskanten Operation", stellten die Experten des Militärjournals Jane`s Defence Weekly kürzlich fest.

Darüber hinaus wäre zur Zerstörung der Anlage in den Felsen bei Natans der Einsatz von Bomben notwendig, über die Israel selbst nicht verfügt. Ohne die Hilfe der Verbündeten - insbesondere der USA - ist ein Angriff also kaum vorstellbar.

Wie "Schmutzige Bomben"

Wenn die Nuklearanlagen jedoch tatsächlich zerstört würden, sollte man sich das nicht vorstellen wie die Explosion einer Atombombe - auch wenn Uran im Spiel ist. Dafür ist nicht ausreichend hoch angereichertes Material vorhanden. Die extreme Sprengkraft einer Atombombe rührt von einer Kettenreaktion, zu der es bei einem konventionellen Bomben- oder Raketenangriff kaum kommen würde. Und selbst wenn Iran bereits eine Kernwaffe besäße und diese von einer anderen Bombe oder Rakete getroffen würde, käme es vermutlich nur zu einer eher kleinen Atomexplosion. Atombomben sind so konstruiert, dass bestimmte Prozesse in ihrem Innern ablaufen müssen, um eine große Sprengkraft zu gewährleisten. Diese Vorgänge würden durch die Zerstörung von außen erheblich gestört. Die Wirkung entspräche vermutlich derjenigen einer großen "Schmutzigen Bombe".

Zerstörung von Irans Atomanlagen: Ein Satellitenbild zeigt den Ort, wo sich die unterirdische Anreicherungsanlage Fordo befindet.

Ein Satellitenbild zeigt den Ort, wo sich die unterirdische Anreicherungsanlage Fordo befindet.

(Foto: AP)

Am schlimmsten wäre ein Angriff auf das Atomkraftwerk Buschehr. Je nachdem, welche Teile der Anlage wie stark zerstört würden, könnte es zu ähnlichen Situationen kommen wie nach den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima.

Nach Angriffen auf die Anreicherungsanlagen könnte das dort vorhandene radioaktive Material in die Umwelt gelangen. Dabei handelt es sich vor allem um Uranhexafluorid, ein strahlendes Gas, das mit Wasser zu hochgiftiger Flusssäure reagiert. Von dem dabei entstehenden Flusssäurenebel geht nach Einschätzung von Experten die größte Gefahr für die Menschen aus. Das nicht so stark radioaktive Uranoxid und das angereicherte Uran in solchen Anlagen stellt angeblich kein großes radiologisches Risiko dar. In der Umgebung der zerstörten Gebäude würde vermutlich erhöhte Radioaktivität festgestellt, aber nicht in dem Ausmaß wie nach der Explosion eines Atomkraftwerks. Auch hier wären die Auswirkungen vergleichbar mit denen einer "Schmutzigen Bombe".

Abgesehen von dem unwahrscheinlichen Fall, dass Israel Iran großflächig mit Atombomben zerstört, wird es nicht zu einer Auslöschung des Landes oder seiner Bevölkerung kommen. Die Folgen vor allem für die unmittelbar betroffen Menschen in der verstrahlten und vergifteten Umgebung der Anlagen dürften allerdings gravierend sein.

Welche Folgen der Angriff auf die Situation im Nahen Osten hat, wie etwa die arabischen Länder reagieren werden, ist eine andere Frage.

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