IPCC-Bericht zum Klimawandel:Streit ums Kohlendioxid

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Rauch kommt aus den Schornsteinen des Kraftwerks Belchatów in Polen, Europas größtem Kohlekraftwerk (Foto: Reuters)

Der Weltklimarat IPCC hat in seinem neuen Bericht auf die möglichen drastischen Folgen des Klimawandels hingewiesen - allerdings behaupten Kritiker nun, er habe die Bedeutung von Kohlendioxid in der Atmosphäre herabgestuft. Stimmt nicht, sagen die beteiligten Wissenschaftler.

Von Christopher Schrader

Seit der Weltklimarat (IPCC) am vergangenen Freitag begonnen hat, seinen fünften Bericht über den Klimawandel vorzulegen, tobt der Streit über die Interpretation. Kritiker der in dem Report zusammengetragenen Ergebnisse behaupten, der IPCC habe die Bedeutung von CO2 in der Atmosphäre herabgestuft; die beteiligten Wissenschaftler bestreiten das energisch.

Zwei Indizien können die Kritiker ins Feld führen. Zum einen gibt der Weltklimarat diesmal niedrigere Erwartungen für die Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts an als im Report von 2007. Damals lautete die Spanne 1,8 bis 4,0 Grad Celsius für die verschiedenen Szenarien, wie sich die Treibhausgas-Emissionen entwickeln; diesmal geben die Wissenschaftler 1,0 bis 3,7 Grad an. Die Erklärung für den deutlich geringeren unteren Wert ist, dass der Weltklimarat andere Szenarien benutzt hat als 2007. Das freundlichste sah einen Rückgang der Emissionen erst von ungefähr 2050 an vor.

Diesmal setzt das unterste Szenario einen deutlich aggressiveren Klimaschutz voraus, der den Ausstoß von Treibhausgasen von 2020 an sinken lässt. Ende des Jahrhunderts liegt er demnach bei einem Achtel heutiger Werte - daher musste die Berechnung eine geringere Erwärmung auswerfen.

Für den oberen Wert hingegen waren 2007 und 2013 Szenarien verantwortlich, die beide praktisch keinen Klimaschutz vorsehen und die davon ausgehen, dass die fossilen Rohstoffe wie Kohle und Öl mit aller Macht weiter ausgebeutet werden.

Die kleine Verringerung von 4,0 auf 3,7 Grad hat mit veränderten Vorgaben zu tun. Beide Male wurden jeweils Zeiträume von ein oder zwei Jahrzehnten verglichen. Im vorigen IPCC-Report wurde die Erwärmung zwischen den Zeiträumen 1980 bis 1999 sowie 2090 und 2099 berechnet. Diesmal ging es zwischen 1986 und 2005 sowie 2081 bis 2100. Betrachtet man jeweils die Mitte dieser Intervalle, wurde der Anfangspunkt diesmal sechs Jahre später und der Endzeitpunkt fünf Jahre früher gewählt. Die Erwärmung konnte sich also weniger lang entfalten.

"Diese Verschiebungen erschweren den Vergleich", räumt Ulrich Cubasch von der Freien Universität Berlin ein, der als koordinierender Leitautor an dem Bericht beteiligt war.

Als zweites Indiz für die angebliche Herabstufung der Rolle von CO2 nennen Kritiker die sogenannte Klimasensitivität. Das ist ein theoretischer Wert, der vor allem dem Vergleich verschiedener Klimamodelle dient. Er gibt an, wie sehr sich die Welt erwärmen würde, wenn sich derCO2-Wert in der Atmosphäre verdoppelte und dann einige Jahrhunderte konstant bliebe, bis das Klimasystem ins Gleichgewicht gefunden hat.

Im Report 2007 hatte der IPCC die Spanne von 2,0 bis 4,5 Grad angegeben und 3,0 Grad als besten Schätzwert genannt. Diesmal verzichten die Forscher darauf, einen Wert hervorzuheben undbezifferten die Klimasensitivität auf 1,5 bis 4,5 Grad - die gleiche Spanne, die schon in den Berichten 1990, 1995 und 2001 stand.

"Die Unsicherheit bei der Bestimmung dieser theoretischen Größe ist immer noch groß", sagt Andrey Ganopolski vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der als Leitautor am Report mitgearbeitet hat. "Es ist unvernünftig, zu sehr auf die untere Grenze der Klimasensitivität zu schielen. Die obere ist genauso wahrscheinlich, und wenn sich 4,5 Grad als wahrer Wert herausstellt, wird die Erwärmung viel gefährlicher als angenommen."

Der Weltklimarat nenne in beiden Berichten zudem eine weitere, realistischere Größe, was bei einer Verdopplung des CO2-Gehalts der Atmosphäre passiert. Die Untergrenze dieser "transient climate response" (kurzfristige Reaktion des Klimas) sei unverändert geblieben, sagt Ganopolski.

Auch Jochem Marotzke, Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie, erklärt: "CO2 bleibt der wichtigste Antriebsfaktor des menschengemachten Klimawandels. Wer auf der gesenkten unteren Grenze der Klimasensitivität herumreitet, macht aus einer Mücke einen Elefanten."

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