IPCC-Bericht:Voraussicht und Vorsicht

Klimawandel treibt Meeresbewohner polwärts

Der IPCC geht auf jeden Fall von einem Anstieg der Meeresspiegel aus.

(Foto: Elvira Poloczanska)

Erste Details zum neuen Bericht des Weltklimarats sind bereits durchgesickert. Offenbar wollen die Wissenschaftler jeden Eindruck des Alarmismus vermeiden und bleiben eher zurückhaltend. Ihre Ergebnisse dürften dennoch aufrütteln.

Von Christopher Schrader

Diesmal werden sie wohl besonders vorsichtig sein. Die Mitglieder des Weltklimarats IPCC wollen nicht nur die peinlichen, wenn auch letztlich kaum relevanten Fehler vom letzten Mal vermeiden. Sie möchten auch den Vorwürfen entgegentreten, grundlose Alarmmeldungen zu verbreiten.

Gut 250 Klimaforscher arbeiten als Verantwortliche am ersten Teil des neuen IPCC-Berichts mit, der Freitag kommender Woche in Stockholm veröffentlicht werden soll. Und bereits durchgesickerte Entwürfe des neuen Sachstand-Reports sowie Einschätzungen von Experten legen nahe, dass sich die Wissenschaftler des Weltklimarats auf eher zurückhaltende Positionen zurückziehen werden. Die Forscher scheinen sich "rückwärts zu verbiegen, um wissenschaftlich konservativ zu bleiben", schrieb kürzlich die New York Times.

Die Zahlen dürften dennoch aufrütteln. Der Welt steht demnach bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine Erwärmung von knapp einem bis knapp fünf Grad bevor, der Meeresspiegel könnte um 28 bis 97 Zentimeter steigen. Dies bedeute "ein signifikantes Problem für die Gesellschaft, das sofortige Aufmerksamkeit verlangt", schreibt das Fachblatt Nature in der aktuellen Ausgabe, die aus dem noch vertraulichen Entwurf zitiert.

Diese breiten Spannen sind dabei kein Ausdruck wissenschaftlicher Unsicherheit, wie Kritiker dem Weltklimarat gern vorwerfen. Vielmehr legen die Forscher den Prognosen verschiedene Szenarien zugrunde, wie viel Treibhausgase die Menschheit in den kommenden Jahrzehnten ausstoßen wird. Schließlich ist unklar, ob sich die Weltgemeinschaft wie vorgesehen 2015 in Paris auf einen globalen Klimavertrag einigen - und diesen dann die kommenden 85 Jahre einhalten wird.

Diese Szenarien haben die Forscher aber seit dem letzten Bericht des Jahres 2007 verändert, was den Vergleich erschwert. Betrachtet man dennoch die zu erwartenden Zahlen, dann hält der Weltklimarat sowohl eine geringere als auch eine größere Erderwärmung als vor sechs Jahren für möglich.

Wie werden die Meeresspiegel steigen?

Beim Anstieg des Meeresspiegels hingegen sind sowohl der minimale als auch der maximale Wert deutlich gestiegen, 2007 lag die angegebene Spanne bei 18 bis 59 Zentimetern. Das hat mehrere Gründe: Vor allem werden die Forscher dieses Mal wohl wieder das zu erwartende Schicksal der Eisschilde auf Grönland und der Antarktis einbeziehen, wenn es um den Meeresspiegel geht; 2007 hatten sie das wegen ungenügender Informationen ausgespart. Andererseits klammert der Weltklimarat offenbar einzelne Vorhersagen in der wissenschaftlichen Literatur aus, die einen stärkeren Anstieg erwarten - ein Anzeichen für den Konservativismus des kommenden Reports.

Insgesamt dürfte der IPCC diesmal recht genau darlegen, was sich in den Meeren ändert. Sie machen immerhin 70 Prozent der Erdoberfläche aus und absorbieren um die 90 Prozent der Erwärmung, die Treibhausgase in der Atmosphäre verursachen. Im vergangenen Jahrzehnt ist diese Wärme den vorliegenden Daten zufolge tiefer ins Meer transportiert worden, begünstigt durch natürliche Schwankungen der Strömungen.

Zurzeit entzögen die Ozeane der Atmosphäre Energie, sagt Guy Brasseur vom Hamburger Climate Service Center. In den 1990er-Jahren hätten sie die Luft noch leicht geheizt. Darin sieht offenbar auch der Weltklimarat die wichtigste Ursache für die gebremste Erderwärmung der vergangenen 15 Jahre.

Statt um 0,3 Grad Celsius wie erwartet, haben sich die Temperaturen nur um rund die Hälfte erhöht. Auch Veränderungen im Sonnenzyklus und Vulkanausbrüche haben daran einen kleinen Anteil. Allerdings bedeute die Pause entgegen den Behauptungen mancher Kritiker keineswegs, dass der Klimawandel ausfalle, betont Brasseur. Viele andere Messgrößen im Klimasystem, etwa der Anstieg des Meeresspiegels oder das Abschmelzen der Polkappe in der Arktis, zeigten einen ungebrochenen Trend.

Bis der Bericht in acht Tagen veröffentlicht wird, müssen die Wissenschaftler des IPCC ihre Zusammenfassung noch Zeile für Zeile mit den Regierungen von 195 Staaten abstimmen. Das ist ein langwieriger Prozess, bei dem sich aber nicht viel ändere, sagt Guy Brasseur, der 2007 beteiligt war. Die Wissenschaftler behielten das letzte Wort. Er habe das anfangs auch für unnötig gehalten, aber dann erkannt, dass sich der Text tatsächlich verbessert habe.

Vor allem aber: Die Länder einigen sich dabei auf einen von allen akzeptierten Stand der Wissenschaft. Auch darum werde der kommende Bericht "den politischen Druck erhöhen, bis 2015 ein verbindliches Abkommen zum Klimaschutz zu erzielen", heißt es aus dem Bundesumweltministerium.

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