Invasive Arten:Sieben Plagen der Neuzeit

Ob süß oder eklig, klein oder groß - sie schaden anderen Arten, auch den Menschen: Sieben invasive Tierarten im Porträt.

Von Katrin Collmar

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Ochsenfrosch

Ochsenfrosch

Quelle: Mehgan Murphy / Smithsonian's Na

Ob süß oder eklig, klein oder groß - sie schaden anderen Arten, auch den Menschen: Sieben invasive Tierarten im Porträt.

Er ist ausgestreckt fast einen halben Meter groß, er schläft nie und frisst alles, was ihm in die Quere kommt. Der nordamerikanische Ochsenfrosch (Rana catesbeiana) bedroht einheimische Amphibien, manchmal gönnt er sich sogar kleinere Artgenossen als Mahlzeit. Feinde hat er dagegen keine. So vermehrt er sich munter. Froschschenkelliebhaber und Hobbygärtner brachten ihn nach Deutschland - als Delikatesse auf dem Teller oder als Schmuckstück am Teich.

Wehe, wenn ein Froschpaar ausbüxt

Vermutlich konnten einige Tiere ausbüxen, andere wurden absichtlich in die Freiheit entlassen, nachdem sie sich als ungeeignete Haustiere erwiesen hatten. Denn der Riesenfrosch quakt nicht, er brüllt wie ein Ochse. Immer wieder tauchen vereinzelte Exemplare in der freien Natur auf. Bei Bonn und Stuttgart befreiten Experten Seen von mehreren erwachsenen Fröschen und Kaulquappen.

Doch in den Baggerseen um Karlsruhe richtet der Ochsenfrosch mit seinem ausufernden Fressverhalten großen Schaden an. "Wenn ein Froschpärchen abhaut, haben wir keine Chance mehr. Dann könnte es passieren, dass er sich über den Rhein in ganz Deutschland verbreitet", sagt Ralf Oberacker vom Anglerverein Karlsruhe. Deswegen wird der Vielfraß hartnäckig bekämpft - als einziges Tier in Deutschland mit Pfeil und Bogen. Denn Jagdmunition könnte von der Wasseroberfläche abprallen und unkontrolliert durch die Luft fliegen.

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Halsbandsittich

Wildlebende Papageien in Düsseldorf

Quelle: dpa

Leuchtend giftgrüne Federn und ein knallroter Schnabel: Zwischen grauen, runden Tauben ist der schlanke Halsbandsittich (Psittacula krameri) mit dem langen Federschwanz ein Exot in europäischen Städten. Im Jahr 1967 wurde der ursprünglich aus Afrika und Asien stammende Sittich das erste Mal in Deutschland gesichtet. Man könnte meinen, der bunte Einwanderer habe sich absichtlich die Karneval-Stadt Köln ausgesucht. Höchstwahrscheinlich sind jedoch ein paar Exemplare einem Rheinländer entwischt und haben sich vermehrt. Sie besiedeln nun nach und nach weitere Städte entlang des Rheins bis nach Heidelberg. Das Bundesamt für Naturschutz schätzte die Zahl der Sittiche in Deutschland 2012 auf 6500.

Forscher des europäischen Großprojektes Daisie stufen die Art als invasiv ein. So könnten die höhlenbrütenden Sittiche anderen Tieren, wie Spechten oder Fledermäusen, die Brutplätze wegnehmen. Eindeutige Belege gibt es dafür allerdings nicht. Das Bundesamt für Naturschutz hält den Vogel in Deutschland nur für potenziell invasiv. "Der Halsbandsittich ist kräftig und könnte Höhlenbrütern ihren Brutplatz streitig machen, noch ist das nicht passiert", sagt Stefan Nehring vom Bundesamt für Naturschutz. Deshalb wird der Vogel in Deutschland genau beobachtet, damit die Naturschützer im Notfall eingreifen können.

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Waschbär

Zahl der Waschbären wächst rasant - Schwerpunkt Südniedersachsen

Quelle: dpa

Der Bär (Procyon lotor) mit den schwarzen Knopfaugen und der unverkennbaren Fellmaske stammt ursprünglich aus Nordamerika und kam in Gefangenschaft nach Europa. Einige Waschbären konnten 1929 aus Pelzfarmen ausbrechen. Seitdem verbreitet sich der Allesfresser in Deutschland und Europa unaufhaltsam.

Waschbären mögen die Gegenwart des Menschen. Dachböden, Garagen und Schuppen nutzen sie als Unterschlupf. Nahrung finden die Tiere in Mülltonnen und auf Komposthaufen. Eine Gefahr für den Menschen versteckt sich im Waschbären-Kot: der Spulwurm Baylisascaris procyonis. Kleinkinder sollten deshalb Waschbären nicht zu nahe kommen.

"Die Ausbreitung kann nicht gestoppt werden"

Der Waschbär frisst auch Vogeleier, Grasfrösche, Erdkröten und sogar geschlüpfte Sumpfschildkröten und deren Eier. Lokal kann das problematisch für einzelne Tierarten werden, die Sumpfschildkröte beispielsweise steht auf der Roten Liste bedrohter Tierarten. Doch auf Deutschland und Europa bezogen ist umstritten, ob der Waschbär der Artenvielfalt schadet. Der Naturschutzbund Nabu stuft den Waschbären als nicht-invasive Art ein, er schade keiner anderen Spezies nachhaltig. Doch die Forscher von Daisie zählen den Waschbären zu den 100 schlimmsten invasiven Arten in Europa.

Laut dem Deutschen Jagdverband sind in der Jagdsaison 2012/13 mehr als 100 000 Waschbären geschossen worden, 30 000 mehr als im Vorjahr. Die meisten Tiere erlegten die Jäger in Hessen und Brandenburg. Obwohl der Waschbär in Deutschland gejagt wird, steigt die Zahl der Tiere. "Die Ausbreitung kann nicht gestoppt werden, der Waschbär wird sich weitere Lebensräume suchen. Aber regional kann das Tier effektiv eingedämmt werden", sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband. Das sei vor allem in Gebieten mit seltenen, bodenbrütenden Vögeln wichtig.

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Kamberkrebs

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Quelle: wikimedia/cc-by-sa

Wie gefährlich invasive Arten für heimische Tiere werden können, zeigt der Fall des Kamberkrebs' (Orconectes limosus). Dieser amerikanische Flusskrebs hat den europäischen Edelkrebs an den Rand des Aussterbens gebracht. Als 1890 ein Fischzüchter den amerikanischen Flusskrebs im Odergebiet aussetzte, gelangte über den neuen Bewohner auch ein krankheitserregender Pilz ins Wasser: die sogenannte Krebspest.

Die Waffe der Eroberer: ein Pilz

Der Kamberkrebs ist gegen die Pest resistent, doch er überträgt den Erreger auf andere Krebsarten. Beim Edelkrebs nimmt die Pilzerkrankung einen grausamen Verlauf: Die Gliedmaßen fallen ab, der Pilz wächst im Inneren des Tieres und am Ende quillt er weiß aus Augen und Gelenken. "Die Edelkrebsbestände sind auch durch Gewässerumbau und Schadstoffbelastung zurückgegangen, die Krebspest hat alles noch schlimmer gemacht", erklärt Nehring vom Bundesamt für Naturschutz.

Neben dem Kamberkrebs sind auch andere amerikanische Flusskrebsarten wie der Signal- und der Kalokikrebs in Europa eingewandert. Die Eroberer konkurrieren untereinander und der Kalikokrebs verdrängt nach und nach den Kamberkrebs - kein Vorteil für den gebeutelten Edelkrebs, denn die Krebspest übertragen sie alle.

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Tigermücke

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Quelle: AFP

Die schwarz-weiß gestreifte Tigermücke (Aedes albopictus) ist eine der 100 schlimmsten invasiven Arten weltweit. Die ursprünglich aus Südostasien stammende Stechmücke kann 22 Viren übertragen, darunter auch für den Menschen gefährliche Erreger wie das Dengue- oder das Gelbfieber-Virus. In Europa konkurrieren die Tigermücken-Larven mit heimischen Stechmückenlarven wie jener der Gemeinen Stechmücke und verdrängen diese aus ihrem Lebensraum.

Die Tigermücke breitet sich über internationale Handelswege aus, beispielsweise durch den Altreifenhandel: Die Weibchen in Südostasien legen ihre Eier in Wasserlachen im Inneren der Reifen. Diese werden nach Europa verschifft, wo die Insektenlarven schlüpfen. Bislang ist der europäische Winter ihnen zu kalt und sie erfrieren. So konnte sich die Mücke im Norden Europas noch nicht durchsetzen.

Experten aus Großbritannien und Belgien vermuten jedoch, dass sich die Tigermücke durch den Klimawandel auch in Deutschland und den Nachbarländern festsetzen wird. In Italien ist das bereits geschehen. Zwar fehlen Tropenviren wie Dengue in Europa noch, sollte allerdings ein Reisender an dem Tropenvirus erkranken und in Italien von einer Tigermücke gestochen werden, könnte sich die Krankheit ausbreiten. Denn die Tigermücke saugt das Blut mit den Viren auf und infiziert mit einem weiteren Stich den nächsten Menschen. Ähnliches ist 2007 bereits geschehen, als sich bis zu 250 Menschen in Italien mit dem tropischen Chikungunya-Virus infizierten - vermutlich übertragen von der Tigermücke.

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Kamel

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Quelle: Jjron/wikimedia/cc-by-sa-3.0

In Australien lebt die einzige wilde Kamel-Herde der Welt. Siedler brachten die Dromedare (Camelus dromedarius) im 19. Jahrhundert auf den Kontinent, denn die Nutztiere legen bei extremer Trockenheit und Hitze weite Strecken zurück und können schwere Lasten tragen. Doch als zunehmend Eisenbahnen und Autos ihre Arbeit erledigten, wurden sie ausgesetzt und vermehrten sich so fleißig, dass laut Schätzungen zwischen 2001 und 2008 mehr als eine Millionen Tiere in Australien lebten.

Auf der Suche nach Wasser fielen die Kamele über Dörfer her, überrannten Zäune, zerstörten Zisternen und plünderten Wasserlöcher. Deshalb wurde das "Australian Feral Camel Management"-Projekt gegründet. Laut dem Abschlussbericht 2013 töteten Scharfschützen innerhalb von vier Jahren 160.000 Tiere, vom Boden oder von Hubschraubern aus. Bei einer Dürre kamen nochmals 100.000 Tiere ums Leben. Heute umfasst die Herde ungefähr 300.000 Tiere und muss ständig überwacht werden, damit diese niedrige Zahl gehalten werden kann.

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Aga-Kröte

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Quelle: AFP

Auch das meistgehasste Tier Australiens - die Aga-Kröte (Bufo marinus) - ist eine invasive Art. Das Tier wurde 1935 aus Zentralamerika eingeschifft und an der Nordostküste des Kontinents gezielt ausgesetzt. Dort sollte die Aga-Kröte als biologisches Schädlingsbekämpfungsmittel die Zuckerrohr-Ernte vor einem Käfer retten. Bald war klar: Das funktionierte nicht und war obendrein ein großer Fehler. Die Kröte konnte dem Käfer nichts anhaben. Statt den Schädling zu bekämpfen, wurde sie selbst zum Pest-Organismus und verbreitete sich rasant.

Grausames Krötenquälen zum Spaß

Laut dem australischen Umweltministerium wurden zu Beginn etwa 3000 Tiere nach Australien eingeführt, heute sind es je nach Schätzung 100 bis 200 Millionen. Und der unliebsame Einwanderer breitet sich vom Nordwesten Australiens mit 55 Kilometern pro Jahr weiter aus.

Zur Abwehr von Fressfeinden sondert die Kröte Giftstoffe über die Haut ab, die zum Beispiel Hunden, aber auch spielenden Kindern gefährlich werden können. Neben der Regierung bekämpfen auch Freiwillige die Aga-Kröte und verabreden sich regelmäßig zu Fangaktionen. Sie fangen die Kröten, dann tötet ein Fachmann die Tiere. Auch ethisch fragwürdige Sportarten haben sich rund um das verhasste Tier entwickelt. So werden die Tiere beispielsweise mit Golf- oder Kricketschlägern möglichst weit geschlagen. Gerade so, als seien sie Schuld an einer Misere, die der Mensch doch selbst auslöste.

© Süddeutsche.de/kco/chrb/leja
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