Süddeutsche Zeitung

Interview:Was können Autofahrer von Ameisen lernen?

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Ein Gespräch mit dem Verkehrspsychologen Bernhard Schlag über Menschen und Ameisen im Berufsverkehr.

SZ: Ameisen geraten nicht in Staus. Warum dann Autofahrer? Sind die dümmer?

Schlag: Das nicht rationale, in den Genen angelegte Ameisenverhalten ist, bezogen auf die Gemeinschaft, tatsächlich vernünftiger. Der Mensch ist so veranlagt, dass er stets den besten Weg für sich sucht. Aus den vielen unterschiedlichen Zielen können Verkehrsbehinderungen entstehen.

SZ: Aber auch ein großer Gesamtnutzen in anderen Lebensbereichen, politisch etwa.

Schlag: Politisch ist so ein Verhalten beim Menschen deshalb ja auch erwünscht, zum Beispiel baut die ökonomische Theorie von Adam Smith darauf. Nur auf kurze Sicht, in Verkehrssituationen, geht diese Rechnung nicht auf. Bezogen auf den Alltagsverkehr geht der Mensch mit seinen rationalen, bewussten Entscheidungen einen komplizierten, langsamen Weg.

SZ: Macht der Mensch denn nicht gerade dann Fehler, wenn er sich unreflektierten Verhaltensautomatismen überlässt?

Schlag: Nein, beim Autofahren könnten wir gar nicht alle Mehrfachtätigkeiten gleichzeitig ausführen, wenn nicht einige Tätigkeiten automatisiert wären. Gerade in nicht alltäglichen, zum Beispiel in Gefahrensituationen, müssen Menschen oft eine Bewusstseinsstufe höher schalten. Das kostet wertvolle Zeit und Anstrengung.

SZ: Was kann man also von Ameisen lernen?

Schlag: Perspektivenübernahme, Empathie. Im Gegensatz zu Ameisen schauen wir ja sekundenweise in die Zukunft. Richtig gut können wir das aber erst, wenn wir verstehen, was die anderen wollen.

SZ: Ameisen kommunizieren dazu ständig.

Schlag: Das kommt im Menschenverkehr zu kurz. Durch Systeme der Car-to-car-Kommunikation versucht man das zu verbessern.

SZ: Autofahrer wollen oft von anderen nichts wissen und werden aggressiv. Warum?

Schlag: Hier herrscht der Konflikt um die Ressource Verkehrsraum. Wenn wir dieses Problem kommunikativ lösen könnten, wären wir einen großen Schritt weiter.

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SZ Wissen 15
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