Polarlichter in der Erdatmosphäre: eines der vielen Fotos, die Alexander Gerst von der ISS zur Erde schickte
(Foto: ESA via Getty Images)Das wird wohl noch dauern. Stattdessen haben Sie die Menschen über soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter an Ihren Erlebnissen teilhaben lassen.
Das war mir sehr wichtig, auch wenn es keinen konkreten Plan hinter all dem gab. Ich habe einfach Bilder geteilt, die mir selbst gefallen haben. Ich habe das aufgeschrieben, was mir in den Sinn gekommen ist.
Aber Sie haben nicht selbst getwittert?
Doch, klar. Die Texte habe ich selbst geschrieben und dann mit den Bildern per E-Mail an mein Team am Boden geschickt. Die haben es dann online gestellt. Im Gegenzug wurden mir die Reaktionen der Menschen weitergeleitet. Ein paarmal habe ich auch versucht, mich einzuloggen, aber meistens war die Internetverbindung an Bord der ISS dafür zu instabil.
Und, sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Ich hätte nie gedacht, dass das so erfolgreich sein würde: fast 200 000 Follower bei Twitter, noch mehr bei Facebook. Wenn ich sehe, wie viele Leute diesen Blickwinkel offenbar als neu und wertvoll empfunden haben, macht mich das sehr glücklich. Das ist für mich das größte Kompliment.
"Mein traurigstes Foto" haben Sie eines Ihrer Bilder überschrieben. Es zeigt Explosionen und Raketen in Gaza und Israel. Eine politische Botschaft aus dem All?
Ich sehe darin gar keine politische Aussage, für mich ist das vielmehr eine humanistische Botschaft: Wenn man von außen auf unseren Planeten schaut, auf diese kleine und zerbrechliche Oase, dann ist es völlig unlogisch, unverständlich und grotesk, dass wir uns gegenseitig bekriegen und unsere Umwelt verschmutzen.
Und das wollten Sie anprangern?
Ich will den Leuten nicht sagen, was sie zu tun und zu lassen haben. Das ist nicht meine Art und nicht meine Aufgabe, ich bin kein Moralapostel. Für mich war es in dem Moment aber wichtig, diese Perspektive von außen zu teilen, diesen Gedanken zu teilen.
Ist twittern wichtiger als Wissenschaft?
Nein, sowohl die Wissenschaft als auch das Entdecken einer neuen Perspektive sind wichtige Gründe, warum wir in den Weltraum fliegen. Ich möchte das gar nicht vergleichen.
Was war das wichtigste Experiment, das Sie auf der Station gestartet haben?
Es wäre unfair, da eines rauszupicken. Wir hatten zum Beispiel viele Experimente zur Reaktion des Immunsystems, die ich persönlich sehr wichtig finde. Da geht es um Salmonellen, multiresistente Bakterien, Krebsforschung. Das sind Experimente, die finden in kleinen, relativ unscheinbaren Boxen statt.. Da raucht nichts, da knallt nichts, und dennoch ist das höchst relevant für alle Menschen auf der Erde.
Fiebern Sie bei solchen Versuchen mit?
Bei vielen Versuchen muss ich einfach nur eine Flüssigkeit aus der Krebstherapie auf Zellen verteilen und das Experiment anschließend wieder im Kühlfach verstauen. Da reicht es mir zu wissen, dass das ein wichtiger Versuch ist, dass ich ihn ordentlich durchführe, dass er tadellos funktioniert. Dann gibt es Experimente wie unseren Elektromagnetischen Levitator (EML), in den ich viel Arbeit und Herzblut gesteckt habe, um ihn zum Laufen zu bringen.
Wo lag das Problem?
Mit dem EML wollen wir metallische Schmelzen in der Schwerelosigkeit untersuchen - in der Hoffnung, neuartige Legierungen zum Beispiel für Flugzeugturbinen auf der Erde einfacher entwickeln zu können. Als ich das Gerät in Betrieb nehmen wollte, klemmte allerdings ein Sicherungsbolzen. Er hätte das Experiment beinahe zum Scheitern gebracht.
Wie konnten Sie es retten?
Mit einer sehr kreativen Lösung, die wir gemeinsam mit der Bodenkontrolle entwickelt hatten: Ich nahm eine Sägeblatt und ein Multifunktionswerkzeug. Zudem sprühte ich das Ganze mit Rasierschaum ein, sodass keine Sägespäne durch die Raumstation schweben konnten. Das war ein Tag Arbeit, hat aber viel Spaß gemacht. und gehörte zu den befriedigendsten Dingen, die ich dort oben erledigen konnte. Außerdem zeigt es: Kreative Menschen können im All Probleme lösen, die einen unbemannten Satelliten zum Scheitern gebracht hätten.