Interview:Kanonenkugeln gegen Schnarcher

Der Schlafmediziner Josef Alexander Wirth über die Geschichte des Schnarchens und die kulturellen Unterschiede im Umgang damit.

Gudrun Passarge

Josef Alexander Wirth ist Schlafmediziner, Somnologe und Internist und leitet als solcher das Schlaflabor in Alfeld bei Hannover. Aber er ist auch Mitinitiator und Betreuer eines Schnarch-Museums, das zur Expo 2000 in Alfeld eingerichtet wurde. Es zeigt circa 450 Exponate, wobei ständig neue hinzukommen.

Interview: Josef Alexander Wirth

Josef Alexander Wirth

(Foto: Foto: oh)

SZ: Wie weit reicht die Geschichte des beobachteten Schnarchens zurück?

Wirth: Der erste dokumentierte Fall von Apnoe ist wohl Dionysos, der Gott des Weines, der sich 450 vor Christus mit jungen Mädchen umgab, die ihn mit einem Thyrsosstab schlugen, wenn seine Atmung aussetzte.

Übrigens kommt der Begriff auch aus dem Griechischen und heißt übersetzt Windstille. Die erste wissenschaftliche Arbeit ist von einem gewissen Herrn Lust bei Professor Alberti 1745 veröffentlicht worden. Ihn darf man wohl als den ersten Schlafmediziner der Geschichte betrachten.

SZ: Mit welchen Methoden wollten unsere Vorfahren dem Problem zu Leibe rücken?

Wirth: Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts hat man mit morgensternartigen Gegenständen im Rücken gearbeitet, damit die Schnarcher nicht auf dem Rücken schlafen konnten. Oder aber es gab Nasenklemmen, Ledermasken, um das Kinn und den Mund zu fixieren und die Nasenweitung.

Im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gab es ein Edikt, wonach Schnarchern Kanonenkugeln in die Uniformrücken eingenäht werden mussten, damit sie die Truppe nicht durch verdächtige Geräusche verrieten.

SZ: Gibt es kulturelle Unterschiede im Umgang mit Schnarchen?

Wirth: Wir haben bei der Expo eine Umfrage bei den Besuchern gemacht. In Asien spielt das Thema keine besondere Rolle. Da legt sich jemand, der müde ist, auch schon mal inmitten der Großfamilie untertags auf den Teppich. Da wird es nicht als störend empfunden.

Die Araber würden niemals eine Schlafmaske als Lösung ihrer Schnarchprobleme akzeptieren. Das gilt als unmännlich. Dort werden eher Operationen akzeptiert. Afrikaner machen eher gar nichts. Menschen der westlichen Welt sind dagegen sehr stark sensibilisiert.

SZ: Wie kommen Sie überhaupt an Ihre Exponate?

Wirth: Das ging von Patienten aus, die mit Mitteln ins Labor kamen, die ihnen nicht halfen. Wir haben uns irgendwann entschlossen, sie zu zeigen. Über Internet und Zeitungen kommt immer mehr hinzu. Und bei Auslandsreisen gehe ich gezielt auf die Suche. So auch in Mexiko.

Allerdings spreche ich kein Spanisch, also grunzte ich in den Apotheken wie ein Schwein. Ein Apotheker hat mir schließlich verraten, wie Mexikaner mit dem Problem umgehen. Frauen stecken sich dort große, rote Bohnen in die Ohren, und bei Männern werden sie in die Nase gesteckt.

SZ: Welches ist für Sie das kurioseste Mittel, das Sie zeigen?

Wirth: Das ist die Ohrkerze, die in der Homöopathie angewendet wird und auch bei Schnarchen helfen soll. Ich sage immer: Mit einer brennenden Kerze im Ohr schläft man nicht und wer nicht schläft, der schnarcht auch nicht.

SZ: Was nehmen Besucher aus dem Museum mit?

Wirth: Die Botschaft ist eindeutig. Man geht lächelnd ins Museum und kommt belehrt wieder raus. Es gibt einen roten Faden in der Ausstellung, der zeigt, dass Schnarchen auch gefährlich sein kann, dass es Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle, Gedächtnisstörungen und anderes auslösen kann.

SZ: Gibt es ein Exponat, das Ihnen in der Sammlung noch fehlt?

Wirth: Es gab mal eine Methode zur Zungenfixation. Die hat, glaube ich, ein Gynäkologe entwickelt. Dabei wurde eine Schraube im Unterkiefer befestigt und ein Faden durch die Zunge gezogen, der dann an der Schraube festgemacht wurde. So ein Operationsbesteck hätte ich gerne. Ich habe nur das Anleitungsvideo, aber das kann ich nicht zeigen, weil sonst die Leute reihenweise in Ohnmacht fallen würden.

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