Interview:Jede Woche 15 neue Fälle

Interview: Christian Kleine, 42, ist Assistenzarzt an der Missio-Klinik in Würzburg. Für Ärzte ohne Grenzen ist er immer wieder in Ebola-Gebieten im Einsatz.

Christian Kleine, 42, ist Assistenzarzt an der Missio-Klinik in Würzburg. Für Ärzte ohne Grenzen ist er immer wieder in Ebola-Gebieten im Einsatz.

(Foto: MSF/Alexis Huguet)

Der Würzburger Arzt Christian Kleine hilft, den Ebola-Ausbruch einzudämmen - doch in einer Konfliktregion ist das schwierig.

Von Isabel Pfaff

Der Würzburger Tropenmediziner Christian Kleine arbeitet für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo, Provinz Nord-Kivu, wo derzeit der schlimmste Ebola-Ausbruch in der Geschichte des Landes tobt. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung berichtet er über seinen vierwöchigen Einsatz.

SZ: Herr Kleine, seit zwei Wochen sind Sie im Kongo, um Ebola zu bekämpfen. Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Christian Kleine: Ich arbeite in der Stadt Beni im Nordosten des Landes. Ärzte ohne Grenzen unterhält hier ein sogenanntes Transitzentrum. Wir nehmen Verdachtsfälle auf und testen sie auf Ebola. Wenn der Test positiv ist, werden sie ins Ebola-Behandlungszentrum ins benachbarte Butembo oder Mangina gebracht. Ist er negativ, bleiben die Patienten weiter bei uns und machen noch einen zweiten Test zur Sicherheit. Leiden sie an anderen Krankheiten wie Malaria, behandeln wir sie hier oder leiten sie an andere Krankenhäuser weiter. So können sich die Kollegen im anderen Zentrum auf Ebola konzentrieren.

Sie waren auch als Helfer in Westafrika im Einsatz, als dort 2014 Ebola ausbrach und mehr als 11 000 Menschen starben. Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit damals von dem Einsatz heute?

Wir arbeiten im Grunde nach demselben Schema wie in Westafrika vor vier Jahren, ich konnte also direkt einsteigen. Ich leite hier ein Team aus kongolesischen und internationalen Ärzten und Pflegern, schreibe Dienstpläne, behandele aber auch selbst Patienten, natürlich im Schutzanzug, um nicht mit den Körperflüssigkeiten der Kranken in Berührung zu kommen. Die Arbeit ist extrem anstrengend, ich arbeite von 7 Uhr früh bis zum Einbruch der Dunkelheit um etwa 18 Uhr, nachts habe ich Bereitschaft. Einen großen Unterschied aber gibt es natürlich: Wir arbeiten hier in einem Konfliktgebiet.

Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Arbeit?

Es gibt Zonen, die wir Helfer nicht betreten können, es ist zu gefährlich. Auch hier in Beni gibt es Stadtviertel, in die wir nicht rein können. Das macht es extrem schwierig, den Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen. Alle Kontaktpersonen von Ebola-Patienten müssen ja überwacht und bei Fieber sofort getestet werden. Hier geht das nicht, und so haben wir immer wieder Fälle, bei denen uns die Infektionsketten völlig unklar sind.

Zum ersten Mal kommen bei diesem Ebola-Ausbruch neue Medikamente zum Einsatz, die noch in der Testphase sind. Wirken sie?

Dazu kann ich nichts sagen, das werden die klinischen Studien zeigen. Das Verfahren ist sehr aufwendig, weil man die Patienten natürlich zuerst aufklären muss und ihr Einverständnis braucht. Aber ich setze große Hoffnungen darauf, dass diese Medikamente helfen. Zum ersten Mal gibt es auch Impfungen, vor allem für die Helfer an vorderster Front. Auch ich habe mich impfen lassen.

Während der Ebola-Epidemie in Westafrika wurde der internationalen Gemeinschaft vorgeworfen, viel zu wenig viel zu langsam getan zu haben. Wie sehen Sie die internationale Reaktion auf den aktuellen Ausbruch?

Meinem Eindruck nach ist die internationale Hilfe diesmal sehr schnell angelaufen, es sind viele Helfer da. Und: Es helfen auch viele Überlebende, das ist sehr berührend. Wer Ebola überstanden hat, verfügt ja über Antikörper. Bei uns arbeiten die Überlebenden deshalb in der Hochrisiko-Zone des Behandlungszentrums. Sie kümmern sich vor allem um die kranken Kinder, deren Eltern sich nicht angesteckt haben und die deshalb alleine sind.

Wie ist Ihre Prognose?

Ich will ehrlich gesagt keine wagen. Wie gesagt: Dieser Ausbruch ist noch nicht unter Kontrolle. Allein in Beni hatten wir zuletzt 15 neue Ebola-Fälle pro Woche. Und jede Woche kann anders aussehen, Ebola-Patienten kommen meistens in Wellen. Die Bevölkerung ist hier genauso mobil wie in den damals betroffenen Staaten, die Menschen sind extrem viel unterwegs. Da verbreitet sich so eine Krankheit rasend schnell.

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