Süddeutsche Zeitung

"Interstellar" von Christopher Nolan:Höllenritt durchs Schwarze Loch

Nach der "Dark-Knight"-Trilogie kommt Christopher Nolans Weltraumabenteuer "Interstellar" ins Kino. An dem Projekt war auch Kip Thorne maßgeblich beteiligt - ein Star der theoretischen Physik. Hält der optisch grandiose Film also auch dem wissenschaftlichen Blick stand?

Von Patrick Illinger

Natürlich soll - vor dem Kinostart am 6. November - hier nicht zuviel verraten werden. Aber wenn man Christopher Nolans gewaltiges Astrophysik-Spektakel "Interstellar" gesehen hat, stellen sich aus wissenschaftlicher Sicht doch einige Fragen, die man sonst nicht unbedingt an Hollywood richten würde.

Die Prämisse des Epos, die auch jeder Trailer schon verrät, ist simpel genug: Der Erde geht es schlecht, neuer Lebensraum muss her. Da tut sich ein Wurmloch im Sonnensystem auf, eine Art Kurzschluss im Raum-Zeit-Gefüge, das die normalerweise viele tausend Generationen dauernde Reise zu einer anderen Galaxie auf menschenmögliche Zeiträume verkürzt. Matthew McConaughey und Anne Hathaway gehören zu den Astronauten, die diese Reise antreten.

Graviationstheorie, Quantenmechanik, die Krümmung der Raumzeit nach Albert Einstein, Zeitdehnung und Zeitschrumpfung und die Biegung von Licht - all das kommt in "Interstellar" vor. Dafür hat die Produzentin Lynda Obst schon ganz früh - bevor die Brüder Jonathan und Christopher Nolan überhaupt als Autoren an Bord kamen - wissenschaftlichen Beistand gesucht. Gefunden hat sie ihn bei Kip Thorne, einem Star unter den theoretischen Physikern, Ex-Professor am berühmten California Institute of Technology und ein Freund von Stephen Hawking. Der Mann wird sogar als Executive Producer genannt, Hollywood wirbt mit seiner Autorität.

Kann man diesen Film also in wissenschaftlicher Hinsicht erstnehmen?

Angeblich wurden Einsteins Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie genutzt, um zu berechnen, wie es in einem kosmischen Wurmloch aussehen könnte. Tatsächlich macht die große Überfahrt optisch einiges her: Da rauschen kosmische Wogen, verbogene Sternhaufen und interstellarer Glibber an den Helden vorbei. Das Raumschiff bleibt davon allerdings, ein Wunder, unberührt. Lediglich an der Steuerbordseite im Cockpit erzeugen die Raumzeit-Kräusel ein paar Schlieren, in die man die Hand wie in eine Flüssigkeit stecken kann. Irgendwie macht die mehrdimensionale Verknotung der Raumzeit, die ein sogenanntes Wurmloch ermöglichen könnte, vor dem Raumschiff und seinen Insassen halt.

Einen erhabenen und in mancher Hinsicht realistischen Anblick bietet das große Schwarze Loch des Films, das passenderweise "Gargantua" getauft wurde. Ein schwarzer Ball, umgeben von einem Kranz aus Lichtstrahlen und einer riesigen Staubscheibe, die von der Raumzeit-Singularität aufgesogen wird. Nur stellt sich angesichts der Leichtigkeit, mit der sich die Filmhelden im Umkreis dieses riesigen Raumzeit-Staubsaugers bewegen, dann leider doch die Frage, was mit einem biologischen Organismus passieren würde, der in die Nähe eines solchen Himmelskörpers kommt. Tatsache ist: Das ginge nicht gut aus. Nicht nur, dass die extreme Gravitation jeglichen Blutfluss unterbrechen würde. Schwarze Löcher sind pure Röntgenquellen. Die intensive Strahlung würde jedes einzelne Molekül in weitem Umkreis zerfetzen.

Das und viele weitere Ungereimtheiten trüben die furiose kosmische Achterbahnfahrt, die "Interstellar" dem Zuschauer bietet. Der hohe Anspruch an Wissenschaftlichkeit entpuppt sich mal wieder als Marketing - da war "Gravity" im letzten Jahr, trotz einiger Abstrusitäten, hundert Mal realistischer.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2198884
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/chrb/lala
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.