Interessenkonflikte:Forschung unter Verdacht

Von der Industrie gesponsorte Studien gelten oft als wertlos. Pauschalurteile helfen aber nicht weiter. Um gute von schlechter Forschung zu unterscheiden, reicht der Blick auf die Finanzquellen jedenfalls nicht aus.

Kommentar von Hanno Charisius

Was trocknet die Hände hygienischer? Papier oder Gebläse? Eine Studie der University of Leeds beantwortete die Frage vor Kurzem eindeutig zugunsten der Papierhandtücher. Warm- oder Kaltluftgebläse verteilen demnach jede Menge Bakterien in der Raumluft. Das klingt nachvollziehbar - und ziemlich ekelhaft. Sponsor der Untersuchung war allerdings der Europäische Verband der Papierhandtuchhersteller. Ach so, na klar, was soll dann schon anderes herauskommen?

Ein anderes Beispiel: Forscher haben in der vergangenen Woche berichtet, die bislang stets gescholtenen gesättigten Fettsäuren in der Nahrung ließen die Blutfettwerte doch nicht steigen. Das Geld für die Studie kam, kein Witz, von einem Milchforschungsinstitut, einem Lobbyverband der Eierproduzenten, einem Verband, der sich der Nachfragesteigerung von Rindfleisch verschrieben hat sowie der durch die gleichnamige fleischlastige Diät bekannten Atkins-Stiftung. Ist das Ergebnis dieser Studie für die Tonne, weil deren Sponsoren wohl kaum ungenehme Ergebnisse zulassen werden?

Und noch ein Fall: Am Donnerstag wurde bekannt, dass ein Ebola-Impfstoff beim ersten Sicherheitstest gute Resultate geliefert habe. Zwei der 26 Autoren der Studie haben Patentschutz für die Herstellung des Wirkstoffs beantragt, einer arbeitet beim Hersteller GSK. Werbung in eigener Sache also?

Gute Forschung hängt nicht nur vom Geldgeber ab

Autoren wissenschaftlicher Fachartikel müssen mögliche Interessenkonflikte offenlegen. Das wird Transparenz genannt. Für sich genommen ist es aber kein gutes Kriterium, um die Qualität von Studien zu beurteilen, wie die drei Beispiele belegen, so unterschiedlich sie sind. Im Fall der Papierhandtuch-Studie hatte schon der Versuchsaufbau nichts mit den realen Bedingungen eines Waschraums zu tun. Das Experiment bestätigt perfekt das oft pauschal vorgebrachte Vorurteil gegen industriefinanzierte Studien, wonach deren Ergebnis vor dem Experiment feststeht. Die Fettstudie hingegen ist ordentlich ausgeführt, bestätigt allerdings nur, was bereits vorher bekannt war - aus Untersuchungen unabhängiger Forscher. Und es bleiben Zweifel, ob die Studie mit einem anderen Ergebnis veröffentlicht worden wäre. Der Test der Ebola-Vakzine sieht aus wie die dritte Variante: Sauberer Versuch, saubere Ergebnisse, trotz Industriebeteiligung und Privatinteressen der Autoren.

Gute Forschung erkennt man nicht am Geldgeber. Generell Studien industrienaher Forscher zu verwerfen, ist ohnedies unmöglich. Die Etats im akademischen Betrieb reichen nicht, um den nötigen Forschungsaufwand zu finanzieren. Das gilt besonders für den Medizinbereich. Gute von schlechter Forschung zu unterscheiden ist keine Magie. Es ist nur anstrengend. Seriöse Wissenschaftler legen vor dem Experiment fest, unter welchen Kriterien sie ihre Hypothese bestätigen oder verwerfen. Alles andere wäre etwa so, als würde man mit einem Gewehr auf eine Wand schießen und hinterher eine Zielscheibe um das Einschussloch pinseln. Wie man es richtig macht, dafür gibt es klare Kriterien. Und wenn alle Schritte und Messdaten eines Versuchs dokumentiert und offengelegt werden, kann jeder die Qualität selbst beurteilen. Das wäre Transparenz, die helfen würde. Dann könnte es auch egal sein, woher das Geld gekommen ist und welche Interessen der Forscher verfolgt. Fast zumindest.

Auf die Offenlegung der Interessenkonflikte könnte man auch in diesem Idealfall nicht verzichten. Vor vier Jahren hat eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Mainzer Psychiater Klaus Lieb entdeckt, dass auch perfekt aussehende Forschungsarbeiten Verzerrungen enthalten. Lieb und Kollegen hatten Medikamentenstudien verglichen, von denen einige industriefinanziert waren und andere nicht. Dabei zeigte sich, dass erstere, obwohl handwerklich perfekt und in der Datenanalyse tadellos, stärkere Effekte eines Wirkstoffs fanden als die anderen Untersuchungen.

Offenbar beeinflusst allein die Haltung des Forschers das Ergebnis. Solange dieser "Faktor Mensch" sich nicht eindeutig messen lässt, braucht es die Erklärung der Interessenkonflikte wohl doch.

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