Anthropozän:Dünger schadet dem Elektrosinn von Hummeln

Anthropozän: Hummeln und andere Bestäuber nehmen elektrische Felder von Blüten wahr und erfahren so wahrscheinlich, ob sie Nektar enthalten.

Hummeln und andere Bestäuber nehmen elektrische Felder von Blüten wahr und erfahren so wahrscheinlich, ob sie Nektar enthalten.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Chemikalien aus der Landwirtschaft sind nicht nur giftig für Insekten, sie verhindern auch, dass sie Pflanzen bestäuben.

Von Tina Baier

Tiere nehmen ihre Umwelt oft anders wahr als Menschen. Für Hunde besteht die Welt vor allem aus Gerüchen, und Fledermäuse orientieren sich im Dunkeln mit Ultraschall. Weniger bekannt ist, dass Hummeln und andere bestäubende Insekten elektrische Felder wahrnehmen, die Blüten von Pflanzen aussenden. Anhand dieser Felder erkennen die Hummeln wahrscheinlich, ob eine Blüte Nektar enthält und es sich lohnt, sie anzufliegen.

Zwei Studien zeigen nun, dass Dünger, Pestizide und Luftverschmutzung nützlichen Insekten nicht nur direkt schaden, sondern auch indirekt, indem sie die Sinneswahrnehmungen der Tiere stören. "Wir wissen, dass Chemikalien giftig sind, aber wir wissen wenig darüber, wie sie die direkte Interaktion zwischen Pflanzen und Bestäubern beeinflussen", wird Ellard Hunting, Biologe an der University of Bristol, in einer Mitteilung der Universität zitiert.

Hunting hat mit seinem Team herausgefunden, dass Dünger und Pestizide, die in der intensiven Landwirtschaft verwendet werden, das elektrische Feld von Pflanzen verändern und damit die Kommunikation zwischen Pflanzen und Bestäubern stören. Dies führe dazu, dass Pflanzen seltener von Insekten besucht und daher auch seltener bestäubt werden, berichten die Forschenden in der Fachzeitschrift PNAS Nexus.

Schon seit Längerem ist bekannt, dass mit Dünger oder Pestiziden behandelte Flächen seltener von bestäubenden Insekten besucht werden. Doch die Ursache dafür lag im Dunkeln: Da die Tiere auf der Suche nach Nektar nicht nur ihren Elektrosinn einsetzen, sondern auch ihren Geruchs- und Sehsinn, könnte es theoretisch auch daran liegen, dass die Chemikalien die Spektralfarben der Blüten oder deren Geruch verändern.

Viele andere Chemikalien dürften die Wahrnehmung von Insekten wohl ebenfalls stören

Beides konnte das Team um Hunting ausschließen. Mithilfe eines Spektrometers zeigten die Forschenden, dass sich die Spektralfarben von besprühten und unbesprühten Blüten nicht unterscheiden. Die Substanzen verströmen auch keinen Geruch, der die Insekten abschreckt. Das bewiesen die Biologen mit einem Experiment, in dem sie Hummeln künstliche Blüten anboten, die mit einer Zuckerlösung gefüllt waren. Die Hälfte davon besprühten sie mit einer Düngerlösung, der Rest blieb unbehandelt. Die Hummeln besuchten alle Blüten gleich häufig.

Als Nächstes zeigten die Forschenden, dass sich die elektrischen Felder rund um Blütenpflanzen verändern, wenn diese mit Chemikalien besprüht werden, die in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Dünger verändert das Feld den Ergebnissen zufolge bis zu 16 Minuten lang. Das Insektizid Imidacloprid, ein sogenanntes Neonikotinoid, sogar für bis zu 25 Minuten.

Dass Insekten das stört, bewiesen die Forschenden, indem sie das natürliche elektrische Feld von Lavendelblüten so veränderten, wie es für bestimmte Chemikalien charakteristisch ist. "Blüten, bei denen das elektrische Feld verändert war, wurden von den Hummeln seltener besucht", schreiben sie in ihrer Untersuchung.

"Es ist das erste bekannte Beispiel dafür, dass menschliche Aktivitäten den Elektrosinn eines an Land lebenden Tiers beeinträchtigen", wird Sam England, ein an der Studie beteiligter Forscher, in der Mitteilung zitiert. Die schädlichen Effekte seien vergleichbar mit denen der Lärmverschmutzung etwa durch ein Motorboot, das die Fähigkeit mancher Fische beeinträchtigt, ihre Feinde rechtzeitig wahrzunehmen. Oder mit der Lichtverschmutzung bei Nacht, die Motten verwirrt. Die Düngemittel seien eine Art Störgeräusch für Hummeln und wahrscheinlich auch Bienen.

Nach Ansicht von Hunting ist es sehr wahrscheinlich, dass auch viele andere Chemikalien aus Landwirtschaft und Gartenbau, die von den Wissenschaftlern nicht explizit getestet wurden, die Wahrnehmung von Insekten stören. "Das eröffnet eine neue Sichtweise darauf, wie Menschen die Natur beeinträchtigen", sagt er.

Das Ergebnis einer Untersuchung, die fast gleichzeitig in der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society B erschienen ist, stützt diese Einschätzung. Ein Team um James Ryalls von der University of Reading beschreibt darin, dass Luftverschmutzung nützliche Schlupfwespen von der Arbeit abhält, die in der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden.

Stickoxide und Ozon, beides häufige Luftschadstoffe, erschweren es den Schlupfwespen der Untersuchung zufolge, Schädlinge wie Blattläuse zu finden. Als Konsequenz können sich die Schädlinge vermehren, während die Zahl der nützlichen Wespen mit der Zeit immer weiter abnimmt. "Das ist ein beunruhigendes Ergebnis, weil viele Bauern, die nachhaltig wirtschaften, auf diese Art der biologischen Schädlingsbekämpfung setzen", erklärt Ryalls in einer Mitteilung der Universität Reading.

Zur SZ-Startseite
Westlicher Flachlandgorilla Gorilla gorilla gorilla Männchen captive Primate Sanctuary Limbe

SZ PlusArtenschutz
:Wie das Artensterben aufgehalten werden soll

Auf der Weltnaturkonferenz in Montréal soll beschlossen werden, 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Meere unter Schutz zu stellen. Ist das überhaupt möglich?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: