Süddeutsche Zeitung

Insekten:Stachelmonster

Im Amazonas-Regenwald wurde eine Wespe entdeckt, die einen riesigen Stachel hat und Spinnen frisst. Zum Glück ist sie nur knapp zehn Millimeter groß

Von Tina Baier

Es ist ein Glück, dass die Wespe Clistopyga crassicaudata nur knapp zehn Millimeter lang ist und es nicht auf Menschen sondern auf Spinnen abgesehen hat. Das Tier, das Entomologen im Amazonas-Regenwald entdeckt und soeben in der Fachzeitschrift Zootaxa beschrieben haben, ist ein Realität gewordener Albtraum: Es hat einen im Vergleich zum Körper gewaltigen Stachel, mit dem es seinen Opfern ein lähmendes Gift injiziert. Anschließend legen die Weibchen Eier in die wehrlose Spinne, die von den daraus schlüpfenden Larven bei lebendigem Leib aufgefressen wird. Wenn die Jungtiere herangewachsen sind, platzt der Körper der Spinne auf und neue Albtraumwesen krabbeln heraus. Solche Schlupfwespen gibt es nicht nur weit weg im tropischen Regenwald, sondern auch in Europa. Die vielen verschiedenen Arten dieser parasitoiden Hautflügler legen ihre Eier in ganz unterschiedliche Opfer. Am häufigsten werden Schmetterlinge, Käfer, aber auch andere Wespenarten befallen. Was den Gruselfaktor angeht, kann es zum Beispiel die Schlupfwespe Reclinervellus nielseni locker mit der neu entdeckten Art aufnehmen. Das Tier legt seine Eier in Konusspinnen. Sobald die Larven geschlüpft sind, machen sie die Spinne zu einem willenlosen Zombie, der alles tut, damit es der Wespenbrut möglichst gutgeht. Statt auf Beute zu lauern, baut die Spinne ihr Netz um und verstärkt es, damit die Kleinen auch ja nicht hinunterfallen. Zusätzlich markiert die manipulierte Spinne ihr Netz mit Spezialfäden, die im UV-Licht leuchten. Dadurch wird es für Vögel und größerer Insekten sichtbar, sodass sie nicht hineinfliegen und es zerstören. Am Ende krabbelt die Spinne in die Mitte des Gebildes und stirbt. Ihren toten Körper benutzen die Larven dann als Kokon für ihre Verpuppung.

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Quelle:
SZ vom 01.08.2019
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