Süddeutsche Zeitung

Infrarotsicht:Nanopartikel verleihen Mäusen Superblick

  • In einem Experiment haben Nanoforscher den Sehbereich von Mäusen mithilfe einer Injektion in die Netzhaut erweitert.
  • Die Mäuse konnten wochenlang Licht im Infrarotbereich wahrnehmen, ähnlich wie ein Nachtsichtgerät.
  • Die Nanopartikel docken an die Fotorezeptoren der Netzhaut an. Das würde auch beim Menschen funktionieren, sind die Wissenschaftler überzeugt.

Von Christoph von Eichhorn

Forscher haben den Sehsinn von Mäusen erweitert, indem sie den Tieren Nanopartikel in die Netzhaut injiziert haben. Die Mäuse könnten nun Licht im Infrarotbereich wahrnehmen, berichtet ein Team um Yuqian Ma von der University of Science and Technology of China im Fachblatt Cell. Die Technologie könne womöglich auch den menschlichen Sehsinn verbessern.

Säugetiere nehmen naturgemäß nur einen kleinen Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums als sichtbares Licht wahr, dieser liegt beim Menschen zwischen 400 und 700 Nanometer Wellenlänge. Darunter liegt der ultraviolette Bereich, darüber der Infrarotbereich, wozu auch Wärmestrahlung zählt. Bislang ermöglichen nur Nachtsichtgeräte und Spezialkameras Infrarotsicht. Soldaten können mit den Wärmebildgeräten etwa Feinde im Dunkeln erkennen. Für die Fotorezeptoren der Netzhaut liegt langwelliges infrarotes Licht dagegen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle.

Die Forscher überwanden diese Hürde, indem sie den Mäusen eine Lösung mit Nanopartikeln in die Netzhaut spritzten. Dort schmiegen sich die Partikel wie Antennen an die Sehzellen. Trifft langwelliges Licht auf diese Bio-Antennen, so konvertieren diese es ähnlich wie ein Signalwandler in kurzwelligeres Licht, das von den Rezeptoren des Auges anschließend als sichtbare Farbe verbucht wird. Laut den Forschern nehmen die Mäuse Infrarotlicht dadurch vermutlich in einem grünen Farbton wahr.

"Wir glauben, dass diese Technik auch in menschlichen Augen funktionieren wird"

Um die Wirkung zu belegen, testeten sie die Reflexe der Mäuseaugen auf Licht der Wellenlänge 980 Nanometer. Die Pupillen der Nager reagierten klar auf die sonst unsichtbaren Reize. Die Mäuse unterschieden sogar Muster wie Dreiecke und Kreise, die mit Infrarotlicht gezeichnet waren, und fanden in einem Labyrinth eine mit Infrarotlicht markierte Stelle. Nicht nur im Dunkeln, sondern auch tagsüber sei die Infrarotsicht gegeben, die normale Sicht werde nicht beeinträchtigt, schreiben die Nanoforscher. Eine Injektion verleihe einer Maus bis zu zehn Wochen lang einen Superblick. Totale Nachtsicht dürften die Partikel noch nicht bieten, übliche Kameras arbeiten mit noch höheren Wellenlängen. Vermutlich können die Tiere aber beispielsweise Kontraste im Dunkeln besser erkennen.

"Wir glauben, dass diese Technik auch in menschlichen Augen funktionieren wird", erklärt Tian Xue, einer der Studienautoren, in einer Mitteilung. Die Methode sei nicht nur geeignet, das menschliche Sehvermögen zu erweitern, sondern auch zur Therapie von Farbschwächen. In der Studie werden aber auch mögliche militärische Anwendungen erwähnt. Bei Mäusen beobachteten die Wissenschaftler nur schwache Nebenwirkungen, die nach kurzer Zeit wieder verschwanden. Für den Einsatz beim Menschen wären aber weitere Tests notwendig.

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SZ vom 04.03.2019
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