Auch Diebe spüren die Weltkonjunktur. Als der Kupferpreis vor drei Jahren steil auf 8000 Dollar pro Tonne stieg, da lohnte es sich, Kabel, Trafos, Regenrinnen oder Bronzestatuen zu stehlen.
Selbst Oberleitungen von Eisenbahnstrecken wurden erst kurzgeschlossen, dann heruntergerissen. Andere Kriminelle, die in Stahl machten, klauten Gullideckel und montierten in Hessen vier Kilometer ausrangierte Gleise von den Schwellen.
Dann brach der Metallmarkt mit der Finanzkrise zusammen, worüber Diebe, Rohstoffspekulanten und Börsenmakler gemeinsam klagen könnten. Letztere machten ihr Leid öffentlich, als der Kupferpreis im Herbst 2008 unter 3000 Dollar pro Tonne stürzte.
Viele andere Metalle zeigen eine ähnliche Entwicklung. "Die Party ist vorbei", hieß es aus der Minenindustrie, wo milliardenschwere Übernahmen platzten.
Inzwischen liegt der Kupferpreis wieder bei mehr als 6000 Dollar pro Tonne. Für die Pessimisten unter den Fachleuten sind die wilden Preisausschläge allerdings ein Alarmzeichen: Die geologischen Vorräte vieler Rohstoffe würden knapp, warnen sie, darum seien die Märkte so nervös.
Genug Rohstoffe, fehlende Informationen
Ein brisantes Thema, denn der Wohlstand der Industrienationen hängt an Metallen. Aus Kupfer und Aluminium entstehen Kabel für Daten und Elektrizität; Tantal wird für Kondensatoren gebraucht, die Handys zum Funken bringen. Ohne Chrom gibt es keinen rostfreien Stahl; Gallium in dünnen Photovoltaikmodulen verwandelt Sonnenlicht zu Strom; Indium bildet eine Schicht, die leitend und transparent ist und in Flachbildschirmen steckt.
Spuren von Neodym sind für Magnete moderner Elektromotoren unverzichtbar; Platin entgiftet Abgase in Autokatalysatoren, und aus Lithium entstehen Batterien von Laptops und bald auch von Elektroautos.
Die Ausschläge an den Rohstoffbörsen sind für viele Experten ein vorübergehendes Problem. "Es geht nicht darum, ob wir kurzfristig genug Metall haben, nur das zeigt der Preis", sagt Thomas Graedel von der Yale University. "Entscheidend ist die Frage: Wird in Zukunft genug von den Metallen verfügbar sein?"
Geologisch betrachtet habe die Erde ausreichend Rohstoffe, "was aber fehlt, sind Informationen". Dem stimmt Thomas Oberthür zu, der beim Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover für die Lagerstätten zuständig ist: "Wenn es bei einzelnen Metallen Versorgungsprobleme gibt, dann liegt es nicht an den geologischen Ressourcen. Die Komplikationen sind jeweils spezifisch für das Material." Die Liste der Probleme reicht von der Geologie bis zur Weltpolitik.
Höchstens 15 Metalle werden gezielt in Minen abgebaut, der Rest ist Beifang. Indium zum Beispiel wird immer nur als Beiprodukt von Massengütern wie Zink oder Kupfer gewonnen. Seine Preisentwicklung allein bringt kaum einen Minenbetreiber dazu, die Produktion auszuweiten oder aufrechtzuerhalten.
Bei Tantal hat der international kritisierte Abbau des Erzes Coltan im Bürgerkriegsgebiet des Kongos zu Verwerfungen auf dem Weltmarkt geführt: Die zuvor führenden Minen in Australien mussten Ende 2008 schließen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich waren.
Und bei Neodym beherrscht China den Markt und ist mit Exporten zurückhaltend. Es könnte Konkurrenten der eigenen Industrie am ausgestreckten Arm verhungern lassen.
"Die Versorgung mit Rohstoffen wird immer von der nationalen Politik abhängen", sagt Thomas Graedel. Darum hat zum Beispiel die EU in ihrer Ressourcen-Strategie die Außen- und Entwicklungspolitik gegenüber Staaten in Afrika mit dem Zugang zu Rohstoffen verknüpft - der Vorwurf eines neuen Imperialismus liegt da nahe.
Die Materialien der Zukunft
Die Informationen, mit denen Graedel künftige Probleme vermeiden möchte, kommen aus drei Kategorien. Erstens sei eine intensivere geologische Exploration nötig, um neue Lagerstätten zu finden und bekannte genau zu charakterisieren.
Zweitens müssten Regierungen im Interesse ihrer Wirtschaft das Wissen über Recyclingmethoden mehren. Ein Expertengremium der Vereinten Nationen befasst sich derzeit damit.
"Wir benutzen viel Metall nur ein einziges Mal und wissen einfach nicht, wie viel sich davon wiedergewinnen lässt." In jedem Handy, das in der Schublade verstaubt oder im Elektroschrott landet, finden sich zwar nur winzige Mengen Metall, aber in der Masse sind sie eine wichtige Rohstoffquelle.
Die dritte Art von Information kann nur ein Blick auf die Entwicklung der Technologie liefern: Was für Materialien und wie viel davon brauchen voraussichtlich die Produkte im Jahr 2030? Genau diese Frage stellt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe und des Instituts für Zukunftsfragen und Technologiebewertung in Berlin, die im Februar dieses Jahres veröffentlicht wurde.
Die Autoren um Gerhard Angerer vom ISI haben für 32 Technologien vom Leichtbau von Flugzeugrümpfen über weiße LEDs bis zur Meerwasserentsalzung den künftigen Bedarf an 19 Metallen bestimmt.
Oben auf ihrer Hitliste steht Gallium: Im Jahr 2030 dürfte allein der Bedarf für die Produktion von Photovoltaik-Modulen, Schaltkreisen und weißen LEDs gut das Sechsfache der heutigen Minenproduktion betragen, sagen die Forscher.
Kundenbedürfnisse? Nebensache
Für Neodym kamen sie auf einen Faktor von 3,8, für Indium auf 3,3 und für Platin auf 1,6. Bei insgesamt acht Metallen muss die Kapazität der Bergwerke - oder der Recyclingwirtschaft - drastisch erhöht werden.
"Bis 2030 ist noch Zeit", sagt Gerhard Angerer, der Vorlauf sollte der Minenindustrie genügen. Er will das nicht als Entwarnung verstanden wissen. Die Bergbauwirtschaft werde kaum auf eine Studie wie seine hin ihre Investitionen planen, auch wenn deren Ansatz von vielen Fachleuten wie Thomas Graedel gelobt wird.
"Minenbetreiber interessieren sich kaum für die Bedürfnisse ihrer Kunden", sagt Angerer. "Die Zusammenarbeit ist schlecht." Er hat das selbst erlebt. Der Chef eines chilenischen Kupferkonzerns war neulich beim Besuch in Deutschland überrascht davon, dass Hochspannungsleitungen aus Aluminium gefertigt werden.