Implant Files 2:Mehr Transparenz bitte

Auf Initiative von Journalisten ist eine weltweite Datenbank eingerichtet worden, in der sich Patienten über Medizinprodukte informieren können.

Von C. Berndt und K. Langhans

Medizinprodukte wie Herzschrittmacher, Brustimplantate oder künstliche Hüften kommen oft lasch kontrolliert auf den Markt. Patienten, die sich vor einer Operation zusätzlich zum Arztgespräch über die Sicherheit einzelner Produkte informieren möchten, haben dazu kaum Möglichkeiten, da viele Daten zu Produktproblemen, die Behörden auf der ganzen Welt sammeln, nur in Teilen öffentlich sind und manches unter Verschluss bleibt.

Deshalb veröffentlicht das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ) eine Datenbank mit mehr als 120 000 Dokumenten aus 46 Ländern, die Problemmeldungen, Rückrufe und weitere Dokumente enthalten, die Ärzte, Patienten, Hersteller- und Behörden verfasst haben. Journalisten haben über das Informationsfreiheitsgesetz bisher unveröffentlichte Papiere gesammelt, die unter medicaldevices.icij.org einsehbar sind. Die Datenbank ersetzt keinen Arztbesuch, ermöglicht es aber, zusätzlich zu prüfen, ob es Rückrufe oder Warnmeldungen zu einem bestimmten Implantat gab.

In Deutschland sind die Komplikationen, die Ärzte und Hersteller in Verbindung mit Medizinprodukten melden, unter Verschluss. Die Süddeutsche Zeitung klagt derzeit vor dem Verwaltungsgericht Köln um die Herausgabe aller Meldungen von 2007 bis 2017. Die zuständige Bonner Behörde weigert sich, die Unterlagen herauszugeben. In anderen Ländern, wie den USA, sind gemeldete Komplikationen in Verbindung mit Implantaten öffentlich.

Am Ende begleichen Beitragszahler oft den Schaden, den ein Hersteller verursacht hat

Vor einem Jahr hatte die weltweite Recherche der Implant Files gezeigt, dass Patienten immer wieder zu spät von dem Rückruf problematischer Produkte erfahren hatten - zum Teil mit schmerzhaften Folgen und vermeidbaren Komplikationen. In Deutschland waren die SZ, der NDR und der WDR an den Recherchen beteiligt.

In Deutschland verbessert sich die Transparenz nur schleppend. Im September hat der Bundestag ein Implantatregister-Errichtegesetz beschlossen, im Januar beginnt die Errichtung der Datenbank, die Patientenrechte stärken soll. Von Mitte 2021 an werden verpflichtend Daten über Komplikationen und die Haltbarkeit von Implantaten gesammelt: zunächst gilt das für Hüft-, Knie- und wohl auch Brustimplantate. Ziel ist es, einen Überblick zu gewinnen, wie lange Produkte halten und welche Komplikationen produktspezifisch auftreten. Es wird nicht öffentlich sein, aber es soll jährliche Auswertungen geben.

Der Datenfluss findet zwischen den Krankenhäusern und dem Register statt. Krankenkassen erfahren nicht, welche Produkte Versicherten implantiert werden. "Das Warnen von Patienten bei drohenden Komplikationen überlässt das Gesetz den Krankenhäusern. Wenn aber ein Patient umzieht, erreichen Krankenhäuser ihn nicht. Für die Krankenkassen wäre das unkompliziert möglich", sagt Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes im Gespräch mit der SZ. Oft müssten Patienten bei Komplikationen noch einmal operiert werden. Das sei nicht nur risikoreich, sondern auch kostspielig. "Krankenkassen können nur dann Ersatzansprüche beim Hersteller stellen, wenn sie Informationen über das Produkt haben", sagt Pfeiffer.

Am Ende zahlt der Beitragszahler oft den Schaden, den ein Hersteller verursacht hat.

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