"Im Treibhaus":Das Atlantik-Paradox

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Wenn der Golfstrom schwächelt, friert Europa, sind viele Klimaforscher überzeugt. Doch nun löst eine Studie eine Kontroverse aus: Lässt ein schwacher Golfstrom die Temperaturen sogar noch ansteigen?

Von Christoph von Eichhorn

Der Golfstrom ist Europas zuverlässigste Wärmeversorgung. Die Strömung im Nordatlantik pumpt warmes Wasser aus den Tropen in Richtung Grönland und Skandinavien. Sollte die Zirkulation im Nordatlantik zum Erliegen kommen, könne eine neue Eiszeit in Europa drohen, heißt es oft.

Im Fachmagazin Nature zweifeln zwei Forscher aus China und den USA diesen Zusammenhang nun an. Eine schwächelnde nordatlantische Zirkulation könne die globalen Temperaturen sogar steigen lassen, sagen Xianyao Chen von der Ocean University in Qingdao und Ka-Kit Tung von der University of Washington in Seattle, und das mehrere Jahrzehnte lang. Dazu haben die Forscher vor allem Daten von Tausenden Bojen ausgewertet, welche die großräumige Ozeanzirkulation im Atlantik messen. Die Strömung transportiere nicht nur Wärme quer über die Erdkugel nach Europa, schreiben die Klimaforscher. Vielmehr funktioniere das sogenannte AMOC-System auch wie ein Puffer für überschüssige Wärme. Diese Wärme nehme der Atlantik an der Oberfläche auf und speichere sie in der Tiefe. Nach Auswertung historischer Messdaten sind die Forscher sicher, dass die Pufferfunktion besonders gut funktioniert, wenn der Golfstrom stark ist. So sei von Mitte der 1990er bis 2005 etwa die Hälfte der im Zuge des Klimawandels überschüssigen Wärme im Atlantik verschwunden. In dieser Phase sei die globale Temperatur weniger stark gestiegen, obwohl die Konzentration an Treibhausgasen weiter in die Höhe schoss. Umgekehrt sei der Golfstrom in den 1970ern und 1980ern schwach gewesen. Zu jener Zeit stiegen die globalen Temperaturen überdurchschnittlich an. Weil der Golfstrom derzeit wieder schwächle, seien erneut höhere Temperaturen zu erwarten.

Eine ebenfalls in diesem Jahr erschienene Studie aus Nature hält die AMOC-Zirkulation für so schwach wie seit 1600 Jahren nicht mehr. Dass deshalb die Temperaturen steigen, halten viele aber nicht für erwiesen. "Für mich ist die Methodik der Studie fragwürdig", sagt Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Ein Problem sei, dass die Autoren die Entwicklung der Zirkulation nur von 2004 an mit Messdaten belegen können. Davor schätzen sie die Entwicklung anhand anderer Faktoren ab.

In der Rubrik "Im Treibhaus" berichtet die Redaktion Wissen in loser Folge über aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen zum Thema Klimawandel.

© SZ vom 19.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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