Ihre Frage
SZ-Leser Raffael Hudarew hat uns eine Mail mit der Frage geschickt:
Ist die Erde tatsächlich überbevölkert?
Unsere Antwort
Von Marlene Weiß, Innenpolitik-Redakteurin der SZ
Der Gedanke, dass die Erde an der immer größeren Anzahl von Menschen zu ersticken droht, stammt vom Ökonomen und Pastor Thomas Malthus, der vor 250 Jahren in England lebte. "Die Macht der Bevölkerung ist unendlich viel größer als die Fähigkeit der Erde, die Menschheit zu ernähren", schrieb Malthus in seinem 1798 veröffentlichten Werk "Bevölkerungsgesetz" sorgenvoll (hier können Sie sein Werk online nachlesen). Er lebte von 1766 bis 1834 und erlebte mehrere Hungersnöte mit - und er glaubte, dass der Fortschritt in der Landwirtschaft stets langsamer ist als das Bevölkerungswachstum, so dass für jeden immer weniger übrig bleibt. Die Folge: Elend, Hunger, massenhafter Tod.
Malthus irrte sich: Heute leben nicht wie zu seiner Zeit eine, sondern sieben Milliarden Menschen auf der Erde, aber die Nahrungsmittelproduktion ist so dramatisch gewachsen, dass es theoretisch für alle reichen würde. Dass trotzdem eine Milliarde Menschen Hunger leidet, liegt nicht an Knappheit, sondern an falscher Verteilung, an Armut, Krieg, fehlender Infrastruktur und Verschwendung. Die Erde könnte noch weit mehr Menschen ernähren: Der Harvard-Soziobiologe Edward O. Wilson etwa hat geschätzt, dass bis zu zehn Milliarden machbar wären, vorausgesetzt, es wird kaum noch Fleisch gegessen. Andere Forscher rechnen mit noch höheren Zahlen.
Nicht die Zahl der Menschen ist ein Problem, sondern ihr Verhalten
Mag sein, dass es nicht drauf ankommt: Laut manchen Prognosen könnte die Bevölkerung noch in diesem Jahrhundert unterhalb der Zehn-Milliarden-Marke stagnieren und dann wieder schrumpfen, weil laut allen Erfahrungen mit mehr Bildung und Wohlstand die Kinderzahl pro Frau sinkt. Die Bevölkerungsexperten der Vereinten Nationen halten das allerdings inzwischen für unwahrscheinlich.
In jedem Fall ist die Überbevölkerung noch lange nicht erreicht, was die Nahrung angeht. Aber der Mensch verbraucht eben auch Rohstoffe. Er zapft vielerorts in bedenklichem Maße die Trinkwasserreserven an, um seine Felder zu bewässern, er braucht Phosphor und Stickstoff zum Düngen. Nicht zuletzt verbrennt er Öl, Gas und Kohle und treibt damit den Klimawandel an. Geschätzt braucht die Menschheit für ihren jetzigen Lebensstil nicht eine, sondern eineinhalb Erden. Würden alle leben wie die Deutschen, wären es mindestens zweieinhalb. Die Erde ist in diesem Sinne also durchaus überbevölkert. Aber das liegt nicht an der Zahl der Menschen, sondern an ihrer Lebensweise.
Und selbst wenn man die Bevölkerung durch Familienplanung um ein Drittel reduzieren könnte, sodass rechnerisch wieder für jeden genug da wäre: Es würde nicht lange helfen, weil die Wirtschaft wohl weiter wachsen würde, und mit ihr der Rohstoff- und Energieverbrauch. Die Menschheit wird ihre Umweltprobleme also wohl anders lösen müssen.
Die gute Nachricht: Kein Mensch war je zu viel auf der Welt.
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