Hygiene im Krankenhaus:Dreckspatzen in Weiß

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Mindestens 500.000 Menschen infizieren sich jedes Jahr in Deutschland im Krankenhaus. Doch ein Drittel aller Krankenhausinfektionen ließe sich vermeiden.

Werner Bartens

Der Frauenarzt Ignaz Semmelweis musste jahrelang Anfeindungen der Kollegen ertragen. Frauen feierten ihn zwar als "Retter der Mütter", viele Ärzte hielten ihn jedoch für einen Nestbeschmutzer.

Ärzte und Pfleger müssen Hygienerichtlinien besser kennen oder besser anwenden. (Foto: Foto: iStockphoto)

Semmelweis hatte am Allgemeinen Krankenhaus Wien seit 1848 immer wieder darauf hingewiesen, dass die häufigen Erkrankungen an Kindbettfieber auf mangelnde Hygiene der Medizinstudenten und Ärzte zurückzuführen seien.

Obwohl es Semmelweis gelang, die Sterblichkeit der jungen Mütter von 13 Prozent auf weniger als zwei Prozent zu senken, wollten viele Ärzte nicht wahrhaben, dass ihre Nachlässigkeit der Grund vieler Leiden und Todesfälle war.

Fast 150 Jahre später ist die Einsichtsfähigkeit mancher Mediziner noch immer begrenzt. Mindestens 500.000 Menschen infizieren sich jedes Jahr in Deutschland im Krankenhaus. Experten sind sich einig, dass ein Drittel bis die Hälfte dieser Infektionen verhindert werden könnten.

"Dazu müssten nur einfachste Hygieneregeln eingehalten werden", sagt Matthias Schrappe, Vorsitzender des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, das 2005 gegründet wurde und diese Woche zum Aktionstag "Saubere Hände" aufgerufen hat. "Bevor Verbände oder Katheter gewechselt werden, muss man sich die Hände richtig desinfizieren. Viele Studien zeigen, dass sich nur etwa 50 Prozent der Ärzte daran halten."

Neben viel Leid verursachen Krankenhausinfektionen im Mittel vier Tage längere Liegezeiten sowie Zusatzkosten von 4000 bis 20.000 Euro.

Anders als zu Zeiten Semmelweis', der die Übertragung vom Seziersaal in die Geburtshilfe nachwies, sind keine neuen Erkenntnisse nötig, um die Zahl der Infektionen zu senken. "Der Medizin ist es bisher nicht gelungen, auf diese brennende Problematik eine befriedigende Antwort zu geben", lautet das Fazit des Allianz-Reports, der im vergangenen Jahr die Dimension des Problems zusammenfasste.

Dabei liegen die Ursachen auf der Hand - eine ist der wahllose Einsatz von Antibiotika. Ein Drittel aller Patienten in Kliniken bekommt Antibiotika, viele davon sind unnötig oder falsch gewählt. Resistenzen bilden sich leichter, wenn Antibiotika für zu kurze Zeit oder zu niedrig dosiert gegeben werden.

Ein anderer Grund ist die Nachlässigkeit der Mediziner. Ärzte und Pfleger müssen Hygienerichtlinien besser kennen oder besser anwenden. Der Mangel zeigt sich auch in den unterschiedlichen Infektionsraten der Kliniken.

Während in einigen Krankenhäusern in Deutschland nur jeder hundertste Keim gegen die üblichen Antibiotika resistent ist, ist es in anderen Kliniken jeder dritte. "Manche Chefärzte glauben ja, dass sie allein deswegen sterile Hände haben, weil sie Chefärzte sind", sagt Schrappe.

Krankenhausinfektionen durch resistente Keime nehmen weltweit zu. "In England ist das ein großes Problem", sagt Jürgen Heesemann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie. 30 Prozent der Stämme von Staphylococcus aureus - neben Clostridium difficile der wichtigste Problemkeim - seien in England mehrfach resistent. In Deutschland liegt der Anteil bei zehn Prozent, in den Niederlanden weit darunter.

© SZ vom 23.10.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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