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Hybrid-Kraftwerk in Brandenburg:Genialer Windfang

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Die Energiequelle Wind ist unberechenbar. Umso größere Hoffnungen setzen Experten auf Hybrid-Kraftwerke, die Wind und Wasserstoff kombinieren. In Brandenburg entsteht die weltweit erste Anlage.

M. Kotynek

Für die Betreiber von Windparks hat das Grauen einen Namen: Flaute. Da stehen in Deutschland mit etwa 20.000 Windkraftanlagen so viele Windräder wie nirgendwo sonst in Europa, doch wenn der Wind ausbleibt, hilft das alles nichts; die Räder stehen still. In der Uckermark will man sich damit nicht länger abfinden.

An diesem Dienstag wird Bundeskanzlerin Angela Merkel im brandenburgischen Prenzlau den Grundstein zu einem sogenannten Hybrid-Kraftwerk legen. Es ist eine Weltpremiere, nur 35 Kilometer von jenem Ort entfernt, an dem Merkel ihre Kindheit verbracht hat: Bis zum kommenden Jahr entsteht dort das erste industrielle Kraftwerk, das Windkraft und Wasserstoff kombiniert.

Die Idee dahinter klingt bestechend einfach. Geht viel Wind, erzeugen die drei Windräder des Kraftwerks viel Strom. Passiert das ausgerechnet dann, wenn die Menschen wenig Strom verbrauchen - etwa nachts-, verwenden die Betreiber die überschüssige Energie, um aus Wasser Wasserstoff zu erzeugen. Dieses so gewonnene Gas pressen sie in Tanks und lagern es dort für windstille Zeiten. Hört der Wind wieder auf, pumpen die Betreiber den Wasserstoff zusammen mit Biogas in zwei Blockheizkraftwerke. Dort werden die Gase wie in einem Motor verbrannt und treiben dabei einen Generator an, der Strom erzeugt.

So wird der überschüssige Windstrom in Form von Wasserstoff gespeichert und bei Flaute wieder abgerufen - das ist viel effizienter als die Speicherung von Strom in riesigen Akkus. Das Biogas will der Betreiber Enertrag von Maisbauern aus der Gegend beziehen. Und entsteht in windigen Zeiten einmal zu viel Wasserstoff in der 21 Millionen Euro teuren Anlage, verkauft ihn der Betreiber an Wasserstoff-Tankstellen in Brandenburg.

Es ist vorerst nur eine kleine Anlage, die in der Uckermark entsteht. Doch das Prinzip ließe sich auf alle neuen Windparks anwenden. Damit würde die Energiequelle Wind ihre Unberechenbarkeit verlieren.

Die Betreiber könnten ihren Abnehmern genauere Prognosen abgeben, wann sie wie viel Strom liefern können. Das erleichtert wiederum den Energieversorgern, die Einspeisung der Windenergie in ihre Netze zu planen. Experten meinen, dass das neue Kraftwerks-Konzept dazu beitragen kann, dass Deutschland das EU-Ziel erreicht, 20 Prozent der Energieversorgung bis zum Jahr 2020 durch erneuerbare Energien zu decken.

Auch aus ökonomischer Sicht lohnt sich der Vorsprung Deutschlands bei der Windkraft: Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz mit in Deutschland hergestellten Windkraftanlagen gegenüber dem Vorjahr um fast zwölf Prozent auf 8,5 Milliarden Euro. 82 Prozent brachte allein das Export-Geschäft ein.

Die Aktivisten der brandenburgischen Volksinitiative Windrad begeistert das freilich wenig. Jahr für Jahr kommen in Deutschland etwa 700 Windräder hinzu, die meisten davon in Brandenburg. Immer näher rücken die Anlagen an die Dörfer. Über vielen liegt schon heute ein ständiges Rauschen der Rotorblätter, und am Nachmittag werfen die Windräder lange Schatten über die Häuser.

Mehr als 20.000 Unterschriften haben die Organisatoren der Initiative bereits gesammelt. Sie fordern größere Abstände zwischen den Windparks und ihren Dörfern. Außerdem sollen jene, die mit den Windrädern leben müssen, von niedrigeren Strompreisen profitieren. Weltpremiere hin oder her - am Montagabend demonstrierten sie in Neuruppin und Lübben. Ihr Motto: "Wer uns mit Windrädern quält, wird abgewählt."

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SZ vom 21.04.2009/beu
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