Süddeutsche Zeitung

Hurrikan:Harvey, der gefährlichste Kreisel der Welt

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Von Jonathan Ponstingl

Für gewöhnlich sind Tropenstürme kurz und intensiv. Mit ihrer ganzen Wucht treffen sie auf Land, decken Dächer ab und verwüsten Straßen und Orte. Nach ein bis zwei Tagen ist der Spuk vorbei. Der Wind legt sich und driftet als Tiefdruckgebiet nach Osten ab.

Nicht so Harvey. Seit fünf Tagen verharrt der Tropensturm nun schon vor der US-Golfküste und lässt Regen fallen, ohne Pause. In den Hochhausschluchten von Houston fahren nun Boote und Jetskis umher, Tausende Menschen haben ihr Obdach verloren. Für ein Nachlassen der Niederschläge gibt es keine Anzeichen. Derzeit hat sich Harvey wieder über den Golf von Mexiko zurückgezogen. US-Meteorologen warnten davor, dass der Sturm, der diesen Mittwoch an der Grenze von Louisiana und Texas erneut auf Land trifft, noch stärkere Niederschläge mitbringen wird - die Rede ist von über 1000 Liter Regen pro Quadratmeter bis Ende der Woche in Houston.

Das alles klingt nach viel Bewegung, doch das Gegenteil ist der Fall: "Der Sturm ist eingeklemmt", sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD). "Die Höhenströmung im Golf von Mexiko ist zurzeit sehr schwach." Das heißt vom Meer her weht kaum Wind, der Harvey weitertreibt. Auf der Nordseite verhindern wiederum zwei Hochdruckgebiete das Vorankommen. Der Sturm kann nicht in das Landesinnere weiterziehen.

Doch solange sich der Tropensturm an der Küste festkrallt und Kontakt zu dem in diesem Jahr besonders warmen Golfwasser hat, nimmt er weiterhin Feuchtigkeit auf, die er dann über Land als heftige Niederschläge ablässt. Harvey ist im Prinzip ein gigantischer Kreisel, der durch das Aufsteigen warmer, von Feuchtigkeit gesättigter Luft in Bewegung gerät, sich an seinem südlichen Ausläufer mit Wasser vollsaugt und es über dem Festland wieder fallen lässt.

Der Klimawandel könnte die Auswirkungen der Stürme verstärken

Der Klimawandel indes sei zwar nicht Ursache des Wetterphänomens, könne aber durchaus die Auswirkungen der tropischen Stürme verstärken, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). "Durch die Erwärmung der Arktis verlangsamt sich die Westwindzirkulation. Die Wanderung von Hochs und Tiefs von West nach Ost nimmt ab", so Rahmstorf. Hurrikane könnten dadurch länger an einer Stelle ausharren. Dies hätten beispielsweise Modellrechnungen eines Teams um den Klimawissenschaftler Dim Coumou am PIK ergeben.

Durch die Erwärmung der Atmosphäre nehmen tropische Tiefdruckgebiete außerdem tendenziell mehr Wasser auf. Dementsprechend stärker fallen die Niederschläge aus, die Anzahl von Starkregen-Ereignissen nimmt weltweit zu. In Houston und Umgebung ist dies im Moment eindrücklich zu beobachten.

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