Höhenanpassung von Tibetern:Gib mir ein Gen

Wieso nur vertragen Tibeter große Höhen so  viel besser als alle anderen Menschen? Ganz einfach: Ihre Vorfahren hatten vor 40 000 Jahren Sex mit Denisova-Menschen.

Normalerweise ist es nicht gesund, sich dauerhaft auf Höhen von bis zu 4500 Meter und mehr aufzuhalten, wo die Luft dünn ist. Den Bewohnern des tibetanischen Hochlands gelingt dennoch seit Jahrtausenden das Überleben in solch lebensfeindlichen Regionen. Jetzt haben Forscher um den Biologen Rasmus Nielsen von der University of Berkeley entdeckt, wer tatsächlich hinter der außerordentlichen Höhentauglichkeit der Tibeter steckt: Es ist der sogenannte Denisova-Mensch, ein obskurer, seit 40 000 Jahren ausgestorbener Verwandter des anatomisch modernen Menschen (Nature, online). Erstmals 2010 wurden seine spärlichen Überreste beschrieben, die im Altai-Gebirge in Südsibirien entdeckt worden waren: ein Backenzahn, die Knochen eines kleinen Fingers, ein Zeh.

Seine Gene finden sich aber auch in Tibet, wie Nielsen und Kollegen nun berichten. Bereits vor einigen Jahren hatten diese herausgefunden, dass sich im Genom der meisten Tibeter eine Variante des EPAS1-Gens findet, das die Hämoglobin-Produktion des Körpers reguliert. Dieses Molekül transportiert den Sauerstoff im Blut. Wird die Luft dünner, triggert das Gen üblicherweise die Produktion von mehr Hämoglobin und roten Blutkörperchen, was aber zugleich das Blut verdickt und zu Herz-Kreislauf-Problemen führen kann. Bei der tibetischen EPAS1-Variante ist diese Reaktion hingegen abgeschwächt, so dass die Nebenwirkungen ausbleiben.

Mount Everest

Den Bewohnern des tibetanischen Hochlands gelingt seit Jahrtausenden das Überleben in solch lebensfeindlichen Regionen.

(Foto: Barbara Walton/dpa)

In der neuen Studie konnten die Forscher nun nachweisen, dass sich die Hochgebirgs-Variante von EPAS1 zwar noch bei einigen Flachland-Chinesen findet, sonst aber nirgendwo auf der Welt. Stattdessen wurden sie fündig im Genom des Denisova-Menschen, das in guter Qualität erstmals 2012 publiziert wurde. "Wir entdeckten, dass ein Teil des Tibeter-EPAS1-Gens fast identisch mit den entsprechenden Denisova-Gen ist und sich zugleich von dem aller anderen Menschen unterscheidet", erklärt Nielsen. "Das zeigt klar, dass Menschen sich mit der Hilfe von Genen anderer Arten entwickelt und angepasst haben." Mit anderen Worten: Nach dem Auszug aus Afrika hatten ein paar Homo sapiens irgendwo in Eurasien Sex mit Denisova-Menschen. So besorgten sie sich eine Genvariante, die ihnen das Überleben im Hochgebirge ermöglichte. Einige von ihnen blieben in Tibet, die anderen zogen weiter nach China. Die Spur der Gene ist der Beleg.

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