HIV:Viren als Zeugen

US-Wissenschaftlern ist es gelungen, zwei Männer zu überführen, die Frauen mit HIV infiziert haben. Den Beweis erbrachten die Virenstämme in Tätern und Opfern.

Christina Berndt

Viren sind wankelmütige Zeugen. Trotzdem weiß eine wachsende Zahl von kriminalistisch aktiven Wissenschaftlern, Erreger aus dem Blut von Menschen immer besser für die Zwecke der Staatsanwaltschaft zu nutzen. Vor allem die "Aussage" von Aids-Erregern hat schon manchen Verbrecher hinter Gitter gebracht. Bislang dienten die Viren meist dazu, einen Verdacht zu bestätigen oder zu widerlegen.

HIV HI-Virus Aids-Erreger

Elektronenmikroskopische Aufnahme eines HIV-1 an einem weißen Blutkörperchen. Die Viren haben eine hohe Mutationsrate - trotzdem können Wissenschaftler feststellen, welcher Mensch einen anderen infiziert hat.

(Foto: Cynthia Goldsmith, CDC)

In zwei aktuellen Fällen aber konnte ein Team aus texanischen Bioinformatikern, Humangenetikern und Molekularbiologen die Viren sogar als anonyme Zeugen nutzen (PNAS, online). Die Forscher wussten bei ihrer Analyse nicht, welche Viren-Proben überhaupt als Opfer- oder Täternachweis in Frage kamen.

Trotzdem überführten sie zwei Männer, die Sex mit Frauen hatten, ohne diesen etwas von ihrer HIV-Infektion zu sagen. Ein Mann aus Washington steckte demnach mindestens fünf seiner 17 Partnerinnen an, ein weiterer Mann aus Texas steckte sechs Frauen an.

Zunächst ist es erstaunlich, dass sich die Aids-Erreger überhaupt als Zeugen eignen. Denn die Viren sind alles andere als beständig. Dauernd mutieren sie, und weil sie sich im Blut eines HIV-Infizierten täglich zwischen einer Billion und hundert Billionen Mal vermehren, verändert sich ihr genetisches Profil rasant. Dadurch aber ist das Viren-Potpourri im Blut jedes Patienten ganz individuell.

"Irgendwann hat jeder Patient sein eigenes Virus", sagt der Aids-Experte Bernhard Ruf, Chefarzt am Klinikum St. Georg in Leipzig. Das habe durchaus Vorteile, schreibt das Team aus Texas jetzt. Dadurch lasse sich aus verschiedenen Proben ein Viren-Stammbaum erstellen, bei dem sich auch die Richtung der Entwicklung bestimmen lasse. Lägen verschiedene Blutproben vor, wie in den beiden aktuellen Fällen, so werde klar ersichtlich, wer wen angesteckt habe.

Trotz ihres Erfolgs müssten solche Analysen weiterhin "mit Vorsicht" durchgeführt werden, betonen die Autoren. Den Viren-Stammbäumen lägen statistische Schätzungen zugrunde und Modelle, welche Veränderungen über welchen Zeitraum angenommen werden.

Sie hätten bestimmt nicht den gleichen Grad der Gewissheit wie DNS-Profiling-Technologien, die genutzt werden, um etwa Samenspuren einem Vergewaltiger zuzuordnen. Bei solchen DNS-Spuren sei es einfach, so das Team aus Texas. "Entweder passt's, oder es passt nicht."

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