Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Schluss mit dem Leichtsinn

Der Klimawandel produziert immer häufiger Hitze wie an diesem Wochenende, auch schon im Juni. Aber wie gefährlich solche Ereignisse besonders für ältere und geschwächte Menschen sind, wird noch immer unterschätzt.

Kommentar von Marlene Weiß

Wenn man Menschen fragen würde, vor welchen Wetterextremen sie sich fürchten, wäre vermutlich meist zuerst von den spektakulären Ereignissen die Rede: Orkane, Gewitter, Hochwasser. Klar, es ist eindrucksvoll, sehr zerstörerisch und kann durchaus auch lebensgefährlich werden, wenn das Wetter mit Wind oder Starkregen loslegt, das hat man oft nur zu gut gesehen.

Doch wenn es darum ginge, die in der Summe tödlichsten Katastrophen zu identifizieren, ist der mit einigem Abstand übelste Killer ein viel stilleres und alltägliches Phänomen; eines, das sogar immer wieder große Freizeitbegeisterung hervorruft. Es sind Hitzewellen, so wie jene, die aktuell über Spanien und Frankreich herrscht und die am Wochenende auch Deutschland einen Besuch abstattet.

Bis zu etwa 38 Grad heiß könnte es laut Deutschem Wetterdienst (DWD) am Samstag an einigen Orten werden, vor allem im Westen und Südwesten. Grund ist ein Hoch, das über Deutschland nach Osten zieht und hinter sich heiße Luft aus Südwesten anschleppt. Diese Wetterlage ist prinzipiell nichts Ungewöhnliches, auch im Juni nicht.

Besonders für alte und kranke Menschen ist Hitze lebensgefährlich

Allerdings kommt momentan alles zusammen, dass für die Jahreszeit extreme Hitze möglich ist. Der bisherige Juni-Rekord für Deutschland liegt bei 38,6 Grad, aufgestellt in der Hitzewelle von Ende Juni 2019. In der Monatsmitte waren es nach DWD-Angaben bislang nie mehr als 38,3 Grad, dieser Rekord aus dem Jahr 2002 könnte nun gebrochen werden.

Solche Hitze ist besonders für alte und kranke Menschen lebensgefährlich. Es ist schwer, exakt zu beziffern, wer nun wirklich an der Hitze und wer nur bei Hitze gestorben ist, man kennt das Thema aus der Pandemie. Aber die Sterbestatistiken zeigen regelmäßig deutliche Ausschläge im Zeitraum von größeren Hitzewellen, auch wenn die Todesursachen letztlich eher Schlaganfälle, Herzinfarkte, Nierenversagen oder Atemwegserkrankungen sind. Eine Untersuchung von Robert-Koch-Institut, Charité und DWD kam 2019 auf einige Hundert bis mehrere Tausend hitzebedingte Todesfälle pro Jahr.

Der Klimawandel macht Hitzewellen heftiger und häufiger, das ist schon lange deutlich spürbar. Anpassung daran ist überfällig. Viele Pflegeheime haben nicht einmal in allen Räumen vernünftige Rollläden oder Jalousien, geschweige denn Klimaanlagen. Kommunale Hitzeaktionspläne für Warnung und Schutz sensibler Bevölkerungsgruppen sind längst nicht überall umgesetzt. Und langfristig müssen Städte von brütend heißen Hitzeinseln zu Schwammstädten werden, die durch reichlich Vegetation für Kühlung sorgen. Auch hier ist noch viel Luft nach oben. Man wird es noch bereuen, wenn sich das nicht bald ändert.

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