Süddeutsche Zeitung

Hitzewelle:Tonnenweise tote Fische

  • Bei extrem hohen Wassertemperaturen verenden tausende Fische. Eine Tonne toter Tiere wurde soeben aus dem Rhein geborgen.
  • Zudem vermehren sich Cyanobakterien in warmen Gewässern explosionsartig.
  • Sinkende Wasserstände aufgrund der Trockenheit verschärfen das Problem. Experten befürchten ein Massensterben.

Von Stephanie Göing

Sich wie ein toter Fisch auf dem Wasser treiben lassen - was hitzegeplagte Menschen derzeit genießen, ist kein lustiges Sprichwort mehr. Denn in den Gewässern der Bundesrepublik hat das Fischsterben begonnen.

Nach den Meldungen aus Hamburg, wonach mehr als fünf Tonnen Fischkadaver aus verschiedenen Gewässern der Stadt gefischt wurden, treffen nun weitere Berichte über verendende Wasserbewohner ein. In einem Stausee bei Ellwangen waren es an diesem Wochenende ganze 20 Tonnen. Soeben wurde auch aus dem Schweizer Abschnitt des Rheins eine Tonne toter Fische geborgen. Auf 28 Grad hat sich der längste Fluss Deutschlands inzwischen stellenweise aufgeheizt, berichten die zuständigen Ämter. Der Bodensee sei 26 Grad warm, ebenso wie die Elbe in Hamburg und die Havel in Berlin.

"Für die Lebewesen im Wasser kann das sehr kritisch werden", sagt Herwig Stibor, Professor für Aquatische Ökologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das Problem langer Hitzeperioden sei vor allem der entstehende Sauerstoffmangel. Je höher die Temperatur steige, desto geringer werde der Gehalt des lebenswichtigen Gases im Wasser. Da wechselwarme Tiere wie Fische bei Hitze einen gesteigerten Stoffwechsel haben, bräuchten diese Lebewesen sogar noch mehr Sauerstoff als bei kühlerem Wetter - ein Teufelskreis.

Warmes Wasser enthält zu wenig Sauerstoff - die Fische sterben

"Ist das Gewässer tief genug, gibt es unten noch eine Schicht kälteren Wassers, in der mehr Sauerstoff gelöst ist, und in die sich die Fische zurückziehen können", sagt Herwig Stibor. Sind dort aber alle Reserven verbraucht, sterben die Tiere. In Fließgewässern sind Fische darauf angewiesen, in kühlere Bereiche mit mehr Sauerstoff ausweichen zu können. Werden aber zum Beispiel Seitenarme von Flüssen aufgrund der niedrigen Wasserstände abgeschnitten, bilden sich dort Todeszonen. Am Oberrhein wurden bereits künstliche Kaltwasserbecken als Zufluchtsorte für die Tiere ausgebaggert.

Während es für die Fische in den oft badewannenwarmen Gewässern eng wird, vermehren sich andere Organismen explosionsartig. Dazu gehören Blaualgen. Die winzigen Cyanobakterien lieben Wärme und produzieren tagsüber aus Sonnenenergie ihren eigenen Sauerstoff, von dem sie nachts zehren. Den in der kühleren Tiefe ausharrenden Fischen kommt dieser Sauerstoff nicht zugute, da er sofort nach oben steigt. "Das Problem ist zudem, dass die Blaualgen Giftstoffe produzieren können", sagt Daniel Hering, Aquatischer Ökologe der Universität Duisburg-Essen. Diese seien nicht nur für Fische gefährlich, sondern könnten auch ins Trinkwasser gelangen.

Zusätzlich zur Sommerhitze lassen industrielle Nutzungen der Fließgewässer, etwa zum Kühlen von Kraftwerksanlagen, die Wassertemperaturen steigen. Von 28 Grad an dürfen Betriebe das Wasser des Rheins nur noch mit Ausnahmegenehmigung nutzen. Die Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, Ulrike Höfken, fordert die Industrie derzeit auf, alle Möglichkeiten einer Rückkühlung zu nutzen und, falls nötig, die Produktion zu drosseln.

Die Bundesanstalt für Gewässerkunde sieht die andauernde Hitzeperiode in Kombination mit der langen Trockenheit als Problem: In einem Infoblatt weist die Behörde auf die extrem niedrigen Wasserstände hin. Weniger Wasser mit weniger Sauerstoff: Es könne zu einem "Massensterben" mancher Fischarten und anderer Wasserorganismen kommen.

Ende der Woche nun soll es etwas kühler werden in Deutschland. Möglicherweise kann das manchen Fisch noch vor dem Hitzetod bewahren.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2018
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