Hirnscanner im Test:Die Gedanken sind noch frei

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Die Justiz liebäugelt schon länger mit dem Einsatz von Hirnscannern im Gerichtssaal. Eine neue Studie zeigt jedoch, wie erstaunlich leicht sich die vermeintlichen Gedankenleser austricksen lassen.

Von Christian Weber

Seit Jahren träumen manche Staatsanwälte und Strafverteidiger von Hirnscannern, die auf objektive Weise klären könnten, ob etwa ein Angeklagter lügt oder ob er entscheidende Sachverhalte, Orte oder Personen kennt. Trotz großer Fortschritte in der Forschung ist eine derartige neurowissenschaftliche Evidenz bislang in den meisten Ländern noch nicht als offizielles Beweismittel zugelassen. Und das mit gutem Grund, wie in dieser Woche ein Forscherteam um Anthony Wagner von der Stanford University auf der Tagung der Cognitive Neuroscience Society (CNS) in San Francisco erneut bestätigt hat.

Wagner präsentierte eine Studie, in der er mit seinem Team überprüft hatte, ob sich Hirnscanner austricksen lassen. Er untersuchte, ob eine Versuchsperson Menschen, Dinge oder Orte zuvor schon einmal gesehen hat. Doch anders als in früheren Laborversuchen geschah dies unter erschwerten realen Bedingungen.

Die Studienteilnehmer trugen digitale Kameras um den Hals, die über mehrere Wochen hinweg jeweils 45.000 Fotos aus dem Leben der Probanden schossen. Danach wählten die Forscher einige dieser Bilder aus und mischten sie mit fremdem Bildmaterial. Mit Hilfe eines Hirnscanners - einem funktionellen Magnetresonanztomografen (fMRI) - gelang es den Wissenschaftlern dann, anhand der Aktivitätsmuster im Hirn zu erkennen, ob der Proband vertraute Bilder sah oder das Kontrollmaterial. Die Trefferwahrscheinlichkeit betrug erstaunliche 91 Prozent.

Das Ergebnis änderte sich jedoch dramatisch, nachdem die Probanden aufgefordert worden waren, ihre Gedanken bewusst in andere Bahnen zu lenken, um der Untersuchungs-Prozedur zu entgehen. So sollten sie beim Anblick eines neuen Gesichts im Test an eine vertraute Person denken und umgekehrt bei einem vertrauten Antlitz gezielt nach unbekannten Facetten in diesem suchen.

Das Ergebnis: "Wir waren nicht mehr fähig festzustellen, ob jemand ein Gesicht erkennt oder nicht", berichtet Anthony Wagner. Verschärft werde das Problem zusätzlich dadurch, dass sich bei den üblichen neurowissenschaftlichen Studien die Ergebnisse immer auf den Durchschnitt der Untersuchungsgruppe beziehen. In der Forensik geht es aber um jeden Einzelfall. Deshalb sei es noch zu früh, über einen möglichen Einsatz von Gedankenlesern im Gerichtssaal zu entscheiden

© SZ vom 18.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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