Hirnforschung:Politische Neuronen

Sind Sie liberal oder konservativ eingestellt? New Yorker Wissenschaftler können dies mit Hilfe von Hirnstrommessungen überprüfen.

Markus C. Schulte von Drach

Um politische Extremisten aufzuspüren, reicht die Methode natürlich nicht. Aber wie jemand bei der nächsten Wahl abstimmen wird, ließe sich mit Hilfe von Hirnstrommessungen vielleicht vorhersagen. Man muss nur wissen, welchen Teil des Gehirns man testen muss.

Darauf deutet eine Studie von Wissenschaftlern der New York University. Den Forschern ist es gelungen, mit Hilfe von EEG-Messungen die politische Grundeinstellung ihrer Studienteilnehmer zu überprüfen.

Demnach zeigt die Hirnaktivität in einer bestimmten Region des Gehirn, ob jemand eher liberal eingestellt ist oder eher konservativ. Es handelt sich dabei um den anterioren cingulären Kortex, der eine wichtige Rolle als eine Art mentale Bremse spielen soll.

David Amodio und seine Kollegen hatten ihre 43 Versuchspersonen die eigene politische Einstellung auf einer Skala zwischen -5 und +5 einschätzen lassen. Der niedrigste Wert stand dabei für sehr liberal, der höchste für sehr konservativ.

Anschließend wurde die Hirnaktivität der Probanden mittels eines Elektroenzephalogramms (EEG) überwacht, während sie auf Signale mit einem Knopfdruck reagierten.

Tauchte auf einem Bildschirm ein M auf, sollten sie einen Knopf drücken, erschien ein W, den anderen - und zwar innerhalb einer halben Sekunde. Die Wissenschaftler hatten jedoch dafür gesorgt, dass in 80 Prozent der Fälle immer der selbe Buchstabe auftauchte. Die Studienteilnehmer gewöhnten sich deshalb daran, immer den selben Knopf zu drücken.

Konservative folgen der Gewohnheit

Blinkte aber der andere Buchstabe doch einmal auf, so mussten sich die Probanden umstellen. Und das gelang den konservativ eingestellten Teilnehmern schlechter als den liberalen. Sie folgten häufiger der Gewohnheit und drückten auf den nun falschen Knopf.

Und ihr Verhalten spiegelte sich auch in der Hirnaktivität wieder. Bei jenen aber, die sich als eher liberal eingestuft hatten, zeigten die Neuronen im beobachteten Areal doppelt so viel Aktivität wie bei den konservativen Teilnehmern. Dies, so vermuten die Wissenschaftler, spiegele die größere Bereitschaft oder Fähigkeit dieser Personen wieder, sich auf Veränderungen einzulassen. (Nature Neuroscience , doi:10.1038/nn1979).

Amadio und sein Team vermuten nun, dass es Veranlagungen gibt, die sich in der politischen Einstellung niederschlagen - und dass diese möglicherweise ein Stück weit genetisch bedingt sind. Das könnte zum Teil erklären, warum viele Menschen ihr gesamtes Leben an einer politischen Überzeugung festhalten.

Dass es Unterschiede in der Denkweise von liberalen und konservativen Personen gibt, ist schon länger bekannt. Demnach berücksichtigen Liberale stärker die Komplexität und Vieldeutigkeit von Informationen, während sich Konservative durch einen strukturierten und beständigen Denkstil auszeichnen, berichten Amodio und seine Kollegen.

Wie Amodio dem New Scientist erklärte, sei seine Studie kein Beleg dafür, dass Liberale irgendwie "besser" seien als Konservative. Denn in anderen Situationen könnte es sich als vorteilhaft erweisen, sich nicht so schnell durch neue Reize ablenken zu lassen.

Die Ergebnisse sollten allerdings nicht überbewertet werden. So sagte Matt Newman von der Arizona State University in Phoenix dem New Scientist, es ginge zu weit, wenn Forscher behaupten würden, unterschiedliche politische Ansichten ließen sich einfach auf biologische Unterschiede zurückführen.

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