Süddeutsche Zeitung

Hirnforschung:Der Lüge auf der Spur

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Im Wein liegt die Wahrheit, heißt es. Für Daniel Langleben liegt sie im Blut. Der US-Psychiater hat als einer der ersten das Gehirn von Lügnern durchleuchtet.

Patrick Eickemeier

Daniel Langleben, Psychiater an der University of Pennsylvania in Philadelphia, durchleuchtet Lügner. Das Verfahren, die funktionelle Magnetresonanz-Tomografie, liefert dreidimensionale Bilder der Hirnaktivität. Ein verstärkter Blutfluss zeigt dabei, welche Hirnbereiche sich die Arbeit teilen. Langleben ließ seine Probanden auf Kommando flunkern und will mit den Bildern Lügner entlarven.

SZ-Wissen: Was geht im Kopf eines Menschen vor, wenn er mit Absicht lügt?

Daniel Langleben: Das ist eine Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt. Unsere bisherigen Untersuchungen zeigen, dass beim Lügen im Gehirn Netzwerke von Nervenzellen aktiviert werden, die an der Kontrolle des Verhaltens beteiligt sind.

SZ-Wissen: Der Lügner unterdrückt also aktiv und bewusst die Wahrheit?

Langleben: Es ist mehr als das. Zwar zeigen beim Lügen in der Tat eine Reihe von Kontrollfunktionen eine erhöhte Aktivität, die meisten liegen im Frontallappen der Großhirnrinde. Es gibt aber weitere, seitlich liegende Regionen, die ebenfalls stärker durchblutet werden. Diese Areale sind normalerweise aktiv, wenn ein Mensch aufmerksam ist oder etwas beobachtet.

SZ-Wissen: In den bisherigen Tests wurden die Probanden aufgefordert, auf bestimmte Fragen falsch zu antworten. Ist das mit alltäglicher Flunkerei vergleichbar?

Langleben: Es gibt bislang keinerlei Hinweise darauf, dass verschiedene Formen der Lüge zu bestimmten Mustern der Hirnaktivität führen. Wir wissen nur etwas über die Muster, die bei den Arten von Fragen sichtbar wurden, die in den bisherigen Untersuchungen gestellt wurden. Ändert man die Fragen, treten ganz andere Muster auf.

SZ-Wissen: Wie wollen Sie dann jemals feststellen, ob ein Mensch in einer bestimmten Situation die Wahrheit sagt oder nicht?

Langleben: Einen Menschen einfach in einen Tomografen zu legen, um dann während einer normalen Unterhaltung zu beobachten, wann er lügt - das wird nie funktionieren. Zuvor muss immer für jede Art der Frage getestet werden, wie sich Lüge und Wahrheit in seinem Kopf unterscheiden.

SZ-Wissen: Wie gehen Sie dabei vor?

Langleben: Man muss die Fragen immer in der gleichen Form stellen und eine Reihe von Tests machen, um die Antworten vergleichen zu können. Darin unterscheidet sich die funktionelle Magnetresonanz-Tomografie aber nicht von jedem anderen Test, der unter kontrollierten Bedingungen stattfindet - und auch nicht von einem Lügendetektor. Auch der muss zu Beginn mit einigen Standardfragen kalibriert werden.

SZ-Wissen: Welche Vorteile bietet die funktionelle Magnetresonanz-Tomografie dann gegenüber normalen Lügendetektoren?

Langleben: Standard-Lügendetektoren messen die Atmung, den Puls, den Blutdruck und den Leitwert der Haut, ein Maß fürs Schwitzen. Das sind Reaktionen des Körpers auf Vorgänge im Gehirn. Man misst an der Haut und ist sozusagen einige Schritte vom Gehirn entfernt.

Mit dem Tomografen schaut man dagegen auf eine sehr unmittelbare Folge der Aktivität von Nervenzellen. Dass die Zwischenschritte ausgeschaltet werden, ist ein großer Vorteil. Ein Lügendetektor misst zudem nur die vier genannten Werte. Die Magnetresonanz-Tomografie dagegen beobachtet die Aktivität von 20.000 Punkten im Gehirn.

SZ-Wissen: Ist der Tomograf damit dem Standard- Lügendetektor überlegen?

Langleben: Ich glaube ja, auch wenn es bislang keine Studie gibt, in der die zwei Methoden direkt verglichen wurden.

Allerdings denke ich, dass wir uns nicht zwischen diesen Methoden entscheiden müssen, sondern dass sie sich ergänzen. Wenn man mit einem Lügendetektor keine guten Ergebnisse bekommt, könnte man die Person mit Magnetresonanz-Tomografie untersuchen. Einen Wettbewerb zwischen beiden Techniken sehe ich nicht. Allerdings: Beide müssen noch verbessert werden.

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SZ Wissen 18
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