Süddeutsche Zeitung

Hirn und Technik:Forscher steuern Hubschrauber mit ihren Gedanken

Mit Hilfe eines EEGs verwandeln Forscher Gedanken in Befehle, mit denen sie einen Quadcopter fernsteuern. Wie gut das inzwischen geht, belegt ein Video der University of Minnesota.

Von Markus C. Schulte von Drach

Autos haben Wissenschaftler schon Kraft ihrer Gedanken gesteuert, Rollstühle und künstliche Gliedmaßen sowieso. Auch Videospiele, Smartphone-Apps und Fahrradgangschaltungen lassen sich inzwischen so bedienen.

Doch was Bin He von der University of Minnesota College of Science and Engineering mit einem Team von Studenten getan hat, ist noch ziemlich neu und vor allem lässt es sich spektakulär inszenieren:

Mithilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG), das Hirnströme misst, ist es ihnen gelungen, einen ferngesteuerten kleinen Hubschrauber zu kontrollieren. Fünf Studienteilnehmern gelang es, dem Quadcopter - einem kleinen Hubschrauber mit vier Rotoren - über eine Kappe mit 64 Elektroden Befehle zu erteilen.

Über ihr gelungenes Experiment berichten die Wissenschaftler jetzt im Journal of Neural Engineering. Zugleich haben sie ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie ihr Fluggerät in einer Turnhalle in Minnesota von einem jungen Mann gesteuert wird, der nichts anderes tut als zu denken.

"Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass Menschen fähig sind, fliegende Roboter nur mit ihren Gedanken zu steuern", und zwar ohne dass Elektroden ins Gehirn selbst eingeführt werden müssten.

Tatsächlich war es allerdings 2010 bereits Tim Bretl von der University of Illinois in Urbana-Champaign gemeinsam mit seinen Studenten gelungen, ein ferngesteuertes Flugzeug mithilfe eines EEGs nach links und rechts zu steuern. Die Flughöhe kontrollierten die Studenten allerdings noch nicht.

Links, rechts, rauf und runter

Hes Versuchsteilnehmer hatten ebenso wie Bretls Studenten gelernt, sich den Gebrauch ihrer Hände vorzustellen. Schon diese Vorstellung löst Aktivität im motorischen Kortex des Gehirns aus, die zu speziellen Hirnstrommustern führt. Dachten die Probanden an ihre linke Hand, wurde das abgeleitete Hirnstrommuster über einen Computer als Befehl für eine Flugbewegung nach links festgehalten und mit dem entsprechenden Signal verbunden, das über WiFi an den Hubschrauber gesendet wurde. Die Vorstellung der rechten Hand wurde als Befehl für eine Rechtsbewegung festgelegt.

Bei Hes Team kam nun noch die Bewegung beider Hände zusammen, um die Auf- und Abbewegung zu kontrollieren. Am Ende gelang es dem Team von der University of Minnesota, ihr Fluggerät deutlich präziser zu kontrollieren als ihrer Konkurrenz aus Illinois.

Alle möglichen Flugmanöver waren für den Quadcopter zuvor festgelegt worden, so dass zum Beispiel eine Beschleunigung nicht möglich war. Nach einer Reihe von Übungsrunden hatten die "Piloten" gelernt, den Hubschrauber tatsächlich zu kontrollieren.

Im Einsatz betrachteten die Probanden dann einen Monitor, auf den Bilder der Bordkamera des Fliegers übertragen wurden, so dass sie sehen konnten, wohin das Gerät sich bewegte. Und mit einiger Übung gelang es ihnen, das Fluggerät durch Schaumstoffringe zu steuern, die von der Decke der Halle hingen.

"In früheren Arbeiten hatten wir gezeigt, dass Menschen einen virtuellen Hubschrauber über ihre Gedanken kontrollieren können", sagte He. "Ursprünglich wollte ich auch einen kleinen Helikopter für die Versuche in der Realität verwenden; aber ein Quadcopter fliegt stabiler, gleichmäßiger und ungefährlicher."

Ihr nächstes Ziel sei die Kontrolle eines Roboterarms mit Hilfe der vom EEG abgeleiteten Hirnwellen. Ihr Fernziel ist es, Hirn-Computer-Schnittstellen zu entwickeln, die gelähmten Patienten helfen, oder Menschen, die Gliedmaßen verloren haben.

Ähnlich geschickt wie Hes Team steuert eigenen Angaben zufolge schon längere Zeit ein chinesisches Team von der Zhejiang Universität in Hangzhou einen Quadcopter. Die Wissenschaftler haben auf der UbiComp 2012 in Pittsburgh, USA, offiziell eine Studie und ein Video vorgestellt, mit denen sie demonstrierten, wie sie einen Quadcopter mit Hilfe eines kommerziellen EEG-Headset über Bluethooth-Technologie kontrollierten.

Bereits 2010 veröffentlichte allerdings der Computerexperte Steve Castellotti auf youtube eine ausführliche Anleitung, wie sich ein ferngesteuerter Spielzeughelikopter und ein kommerzielles EEG-Headset modiziferen lassen, um Gedankenkontrolle auszuüben.

Nun versucht seine Firma Puzzlebox in San Francisco nach einer äußerst erfolgreichen Crowdfunding-Initiative auf Kickstarter.com, ein ähnliches Gerät kommerziell zu vertreiben. Die Flugmöglichkeiten des Puzzlebox Orbit, der mit Hilfe von Konzentration und geistiger Entspannung gesteuert wird, sind allerdings sehr eingeschränkt.

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