Hintergrund: Atomkraftwerk Fukushima:Unrühmliche Vergangenheit

Im japanischen AKW Fukushima hat sich eine Explosion ereignet. Die Furcht vor einem Super-GAU ist da. Was ist das für ein Atomkraftwerk? Wer sind die Betreiber? Es ist ein Konzern, der schon mehrere Affären vertuschen wollte.

Der Komplex des Atomkraftwerks Fukushima ist einer der größten in Japan. Das Kraftwerk besteht insgesamt aus sechs Reaktoren, zwei weitere sind geplant. Das AKW Fukushima 1, das bei dem Erdbeben am schwersten beschädigt wurde, nahm den Betrieb vor 40 Jahren auf.

Explosion im AKW Fukushima: Umstrittener Betreiber

Explosion im AKW Fukushima: Umstrittener Betreiber

(Foto: REUTERS)

Der Problemreaktor stand nach Angaben aus einer internationalen AKW-Datenbank kurz vor der Stilllegung. Der Reaktor 1 des Meilers Fukushima Eins sollte in diesem Monat den Betrieb einstellen; eine Datenbank des Forschungszentrums Nuclear Training Centre (ICJT) in Slowenien nennt als "erwartetes Datum der Stilllegung" den März 2011. Der Bau des Reaktorblocks begann nach Angaben der World Nuclear Association bereits am 31. Juli 1967, die Leitung der Arbeiten lag beim US-Konzern General Electric. Am 17. November 1970 ging der Siedewasserreaktor ans Netz.

Der Reaktor 1 ist der älteste der derzeit sechs Reaktorblöcke des Atomkraftwerks Fukushima Eins. Die Blöcke 2 bis 6 wurden von 1974 bis 1979 gebaut; zwei weitere Blöcke sind geplant. Elf Kilometer südlich des Atomkraftwerks Fukushima Eins befindet sich Fukushima Zwei mit vier Reaktoren, die von 1982 bis 1987 gebaut wurden.

Der Betreiber des schwerbeschädigten japanischen Atomkraftwerks ist in der Vergangenheit durch diverse Affären aufgefallen. So mussten 2002 der damalige Tepco-Chef und vier weitere Manager ihren Hut nehmen, weil Japans größter Energieerzeuger unter Verdacht geriet, Wartungsdokumente gefälscht zu haben. Die Spitzenkräfte übernahmen mit dem Rücktritt die Verantwortung für die Affäre. Fünf Reaktoren, darunter auch der Unglücksmeiler, mussten vorübergehend vom Netz. Tepco ist der größte private Akw-Betreiber. Damals musste der Konzern alle 17 Reaktoren für Sicherheitskontrollen abschalten. Tepco musste eingestehen, dass über Jahre hinweg Berichte über Risse in seinen Reaktoren, darunter auch in der Stahlummantelung des Reaktorkerns, vertuscht worden waren. 2006 war dem Konzern vorgeworfen worden, Daten über die Kühlwassertemperatur in den Jahren 1985 und 1988 gefälscht zu haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass japanische Atomanlagen Anlass zur Sorge geben, immer wieder kam es in den vergangenen 15 Jahren zu schweren Zwischenfällen. Das rohstoffarme Japan gewinnt rund 30 Prozent seines Stroms aus den landesweit 54 Atomkraftwerken. Für den Bau der Anlagen gelten äußerst strenge Vorschriften, auch was die Erdbebensicherheit angeht. Die Opposition gegen die Atomkraft ist in Japan jedoch stark.

Zum einen ist das Land noch traumatisiert vom Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki zum Ende des Zweiten Weltkriegs, bei dem die zerstörerische Kraft von Atombomben deutlich wurde. Aber auch zahlreiche Unfälle, bei denen hunderte Menschen radioaktiver Strahlung ausgesetzt wurden und mehrere Menschen starben, sowie mangelnde Transparenz der Betreiber haben das Misstrauen gegenüber der Atomkraft geschürt.

Im September 1999 kam es in der Wiederaufbereitungsanlage von Tokaimura zum schwersten atomaren Unfall seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Arbeiter füllten mit Stahleimern eine zu große Menge Uran in einen Verarbeitungstank und lösten damit eine unkontrollierte atomare Kettenreaktion aus. Zwei Menschen starben, 600 wurden radioaktiv verstrahlt. Erst zwei Monate vorher waren in Tsuruga 80 Tonnen radioaktiv verseuchtes Kühlwasser aus dem Primärkreislauf der Anlage ausgetreten. Bereits 1997 waren bei einem Brand in Tokaimura 37 Menschen radioaktiv verstrahlt worden. Im August 2004 starben vier Arbeiter, als im Atomkraftwerk Mihama heißer Dampf austrat - am 59. Jahrestag des Atombombenangriffs auf Nagasaki.

Technische Details des Fukushima Daiichi Atomkraftwerks der Tokyo Electric Power Company (Tepco):

Inbetriebnahme: 1971

Kapazität: sechs Nuklearreaktoren Leistung. Die sechs Reaktoren haben eine Nennleistung von zusammen mehr als 4000 (4,696 MW) Megawatt Strom. Das ist gut ein Drittel mehr als die größte deutsche Anlage Gundremmingen.

Typ: Fukushima ist ein Siedewasser-Reaktor: Die Brennstäbe im Reaktordruckbehälter erzeugen Wasserdampf, der die Turbinen antreibt. Anders als beim Druckwasserreaktor besteht so nur ein Wasserkreislauf, was den Bau vereinfacht. Da das Maschinenhaus mit den Turbinen direkt verbunden ist, wird Radioaktivität dorthin weitergeleitet. Das Maschinenhaus kann so im Betrieb nur eingeschränkt betreten werden. Siedewasserreaktoren in Deutschland haben die Atomkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Philippsburg.

Lage: direkt am Pazifik in der Stadt Okuma, im Distrikt Futaba der Präfektur Fukushima. In der Präfektur, die etwas kleiner als Schleswig-Holstein ist, leben etwa über zwei Millionen Menschen.

Entfernung zu Tokio: etwa 250 Kilometer (nördlich).

Größe: Das Kraftwerk erstreckt sich über 3,5 Quadratkilometer.

Baugrund: Kraftwerksblöcke auf festem Gestein gebaut.

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