Geologie:Der Blob, der aus der Tiefe kam

Geologie: Einwohner von Faizabad in Afghanistan suchen auf Dächern Schutz nach einem Erdbeben - immer wieder wird die Region von Erdstößen erschüttert.

Einwohner von Faizabad in Afghanistan suchen auf Dächern Schutz nach einem Erdbeben - immer wieder wird die Region von Erdstößen erschüttert.

(Foto: AFP)
  • Starke Erdbeben im Hindukusch haben Geologen lange Zeit Rätsel aufgegeben. Die Ausgangspunkte dieser Erschütterungen liegen bis zu 300 Kilometer tief im Erdinnern.
  • Nun sind sie auf eine mögliche Ursache gestoßen: den "Blob", ein sprödes Erdplattenfragment, das ruckartig in den Erdmantel absinkt.

Von Angelika Jung-Hüttl

Der Blob ist etwa 300 Kilometer dick, 150 Kilometer lang und 100 Kilometer breit. Er steckt im oberen Erdmantel, tief unter dem Hindukusch in Afghanistan und verursacht Erdbeben, während er langsam ruckweise absinkt. Zuletzt im Oktober 2015: Die Erschütterungen hatten eine Stärke von 7,5 auf der Momenten-Magnituden-Skala. 400 Menschen starben, mehrere Tausend wurden verletzt. 15-mal wurde die Hindukusch-Region in den vergangenen 100 Jahren von solch verheerenden Beben heimgesucht. "Wir haben diese Beben lange nicht verstanden", sagt der Geophysiker Peter Molnar von der Universität Colorado in Boulder, USA, dem Onlinemagazin Eos der amerikanischen geophysikalischen Vereinigung AGU. Nach vielen seismischen Messkampagnen sind er und seine Kollegen, darunter auch Wissenschaftler aus Kabul und vom Geoforschungszentrum Potsdam, auf den Blob gestoßen. So nennen sie das vergleichsweise spröde Erdplattenfragment, das sich in der Tiefe im zähplastischen Erdmantel unter dem Hindukusch bewegt.

Die starken Erdbeben in dieser Region haben den Forschern lange Zeit Rätsel aufgegeben. Denn die Ausgangspunkte dieser Erschütterungen - die Erdbebenherde, an denen sich gewaltige Spannungen aufbauen, schließlich lösen und dabei die Erde ins Wanken bringen - lagen bis zu 300 Kilometer tief im Erdinnern. Und noch eine Besonderheit: Sie lagen in einer Art Cluster übereinander. Ähnlich schwere Erdbeben, wie sie zum Beispiel am Rand des Pazifiks stattfinden, in Chile oder Peru oder auch in Indonesien, haben ihre Herde, ihre Hypozentren, hauptsächlich in weniger als 70 Kilometern Tiefe. Außerdem liegen diese Hypozentren nicht in Clustern übereinander, sondern verteilen sind eher entlang einer schräg ins Erdinnere abtauchenden Fläche.

Wie das seltsame Ding in der Tiefe einst entstanden ist, darüber diskutieren die Forscher noch

Ursache für diese Beben rund um den Pazifik ist die Subduktion, ein plattentektonischer Vorgang, bei dem zwei der großen Erdkrustenplatten, aus denen die harte Schale unseres Planeten besteht, gegeneinander stoßen und sich eine unter die andere hineinschiebt. Dabei entstehen Spannungen an der Reibungsfläche, welche die Erde darüber erzittern lassen, wenn sie sich lösen.

Auch im Bereich des Hindukusch-Gebirges gab es einmal eine solche Subduktion - bis vor etwa 40 Millionen Jahren, als der indische Kontinent gegen Eurasien stieß und abtauchte. Dabei wurde nicht nur der Hindukusch aufgefaltet, sondern auch das Pamir- und das Himalaya-Gebirge. Inzwischen sind die indische und eurasische Platte eng miteinander verschmolzen. Eine Subduktion wie etwa entlang der Pazifikküste findet nicht mehr statt.

Doch woher kommt nun der Blob unter dem Hindukusch? Hier gehen die Meinungen der Wissenschaftler auseinander. Peter Molnar und seine amerikanischen Kollegen meinen, dass sich an der Wurzel des Hindukusch-Gebirges aufgrund von gewaltigen Scherkräften ein Erdplattenstück gelöst hat, das nun ruckartig in den Erdmantel absinkt.

Die GFZ-Wissenschaftler gehen hingegen aufgrund ihrer Messwerte davon aus, dass es sich bei dem Blob um ein letztes Stück der indischen Erdplatte handelt, das in die Tiefe gezogen wird. Wegen der enorm hohen Drücke und Temperaturen, die dort herrschen, "wird das Erdplattenstück gedehnt wie eine plastische Knetmasse - bis es reißt", erklärt die Geophysikerin Sofia Kufner, die seit sieben Jahren im Hindukusch forscht. Die Erdbeben, die das Reißen an der Erdoberfläche auslöst, sind - so ihr Kollege Sascha Brune, "sozusagen die letzten Signale einer ehemaligen Subduktion".

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