Süddeutsche Zeitung

Helfer-Geschwister:Gezeugt als Lebensretter

Auch das bleibt erlaubt: Britische Eltern dürfen auch in Zukunft gezielt Kinder zeugen, die das Leben ihrer älteren Brüder oder Schwestern retten sollen.

Hanno Charisius

Britische Eltern dürfen auch in Zukunft gezielt Embryonen herstellen lassen, die das Leben ihrer älteren Geschwister retten sollen. In der Nacht zum Dienstag hat das Britische Parlament einen Antrag zum Verbot der Produktion sogenannter Helfer- oder Retter-Geschwister mit großer Mehrheit abgelehnt.

Diese Wunschkinder der besonderen Art werden durch künstliche Befruchtung im Reagenzglas geschaffen und als junger Embryo genetisch untersucht. Nur wenn sie genetisch weitestgehend übereinstimmen mit ihren lebenden Geschwistern, werden sie in den Uterus der Mutter verpflanzt und neun Monate später geboren.

Nabelschnurblut oder Knochenmark des Kindes soll dann die Krankheit des älteren Bruders oder der älteren Schwester heilen. Das geschah europaweit zum ersten Mal im Jahr 2003, als im britischen Sheffield ein wegen seines Erbguts ausgewählter Knabe auf die Welt kam, der seinem vierjährigen, genetisch sehr ähnlichen Bruder Blutstammzellen abgeben sollte.

Der Erbgutcheck vor der Empfängnis wird als Präimplantationsdiagnostik (PID) bezeichnet und ist in Europa außer in Deutschland, Österreich und der Schweiz erlaubt. Ursprünglich war die PID entwickelt worden, um bei einem durch In-vitro-Fertilisation erzeugten Embryo schwere Erbkrankheiten zu erkennen, bevor er in die Gebärmutter eingepflanzt wird.

So soll Leid erspart werden, wenn schon anhand der genetischen Diagnose klar ist, dass das Kind keine Chance zum Überleben hat. Doch die PID kann auch benutzt werden, um einen genetisch passenden Knochenmarkspender auszuwählen, wenn etwa ein bereits geborenes Kind an Leukämie erkrankt ist und eine Transplantation des blutbildenden Gewebes benötigt.

"Nur wenige Krankheiten lassen sich auf diese Weise behandeln", sagt Humangenetiker Peter Propping von der Universität Bonn, einige von ihnen betreffen jedoch viele Menschen. Auch bei einigen Formen der Blutarmut wird ein passender Knochenmarkspender benötigt, anderenfalls muss der Patient sein Leben lang Transfusionen mit Fremdblut bekommen. Auch Spenden anderer Gewebe oder Organe seien denkbar, doch mit großem Risiko für das Spenderkind verbunden, was nicht im Sinne der Eltern liege.

Genetikerin Evelin Schröck von der Technischen Universität Dresden, selbst Mutter zweier Kinder, versteht, wenn Eltern auf diese Weise einem kranken Kind helfen wollen und darin "kein ethisches Problem erkennen". Schließlich gehe es nicht darum, ein Ersatzteillager zu erschaffen, sondern neues Leben in die Welt zu setzen.

Weil die PID in Deutschland verboten ist, gingen viele Eltern mit kranken Kindern ins Ausland, sagt Schröck. "An den klinischen Erfahrungen mit PID sind viele deutsche Paare beteiligt", bestätigt Propping. "Als Arzt und als Mensch" könne er ihr Handeln nachvollziehen.

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SZ vom 21.05.2008/dmo
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