Heizen und Energiesparen:Wie warm muss die leere Wohnung sein?

Eiszapfen an einem Haus.

Manche Experten empfehlen, die Heizung laufen zu lassen, während die Bewohner nicht zu Hause sind. Andere sagen: Runterregeln.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Können Menschen Energie sparen, wenn sie die Heizung herunterstellen, während sie außer Haus sind? Die Antworten auf diese Frage sind alles andere als eindeutig. Das Umweltbundesamt überarbeitet deshalb derzeit seine Empfehlungen.

Von Christopher Schrader

Wände müssen etwas Magisches haben, das sich mit Logik und technischem Verstand kaum erfassen lässt. Wie ist sonst zu erklären, dass sogar vermeintliche Profis auf die Frage, ob man tagsüber die Heizung herunterdrehen soll, erstaunliche Dinge konstatieren: "Aus energetischer Sicht hat das Abdrehen der Heizung keinen Sinn: Die ausgekühlten Wände brauchen hinterher mehr Zeit und Energie, um sich und das Haus wieder aufzuwärmen", heißt es etwa auf der Webseite immobilio.de.

Ähneln Wände also aufgrund irgendeiner wunderlichen Eigenschaft einer Luftmatratze, aus der Luft schnell entweicht, aber in die sie nur mühevoll hineingepresst werden kann?

Da die Heizkosten zuletzt stark gestiegen sind, ist guter Rat hier teuer - zumal die meisten Expertentipps in ihrer Pauschalität auf Wohnungen zwischen dem maritimen Flensburg und dem alpinen Garmisch passen sollen, auf ungedämmte Alt- wie sorgsam geplante Neubauten. Oft vermischen die Hinweise zudem die Kategorien Energiebedarf, Lüftungserfordernis und Komfort, ohne die Stoßrichtung oder ihre Basis kenntlich zu machen.

Entsprechend hart prallen die Meinungen deshalb aufeinander. So rät das Umweltbundesamt (UBA), um nicht "unnötig Energie" zu verbrauchen: "Bei Abwesenheit von bis zu zwei Tagen sollte die Raumtemperatur auf 15 Grad Celsius, bei längerer auf zwölf Grad Celsius eingestellt werden."

Dagegen verbreitet die Initiative Wärme+, in der sich Hersteller von Haustechnik zusammengeschlossen haben, bewohnte Räume sollten auch bei Abwesenheit "möglichst nicht weniger als 18 Grad" haben: "Der Energieaufwand, um kalte Räume wieder aufzuheizen, ist größer, als eine Mindesttemperatur zu halten."

Ein Blick auf die Fakten aber zeigt: Wie groß der Wärmeverlust einer Wohnung ist, hängt von zwei Faktoren ab - der Beschaffenheit der Fassade und der Temperaturdifferenz zwischen drinnen und draußen.

Abgekühlte Wände müssen wieder aufgeheizt werden

Grundsätzlich entweicht mehr Wärme, wenn sich die Temperaturen in Wohnung und Umgebung besonders stark unterscheiden. Deshalb gehe schlicht und ergreifend weniger Energie verloren, wenn die Zimmertemperatur bei Abwesenheit heruntergeregelt wird, sagt Stephan Kohler, Geschäftsführer der halbstaatlichen Deutschen Energieagentur (Dena). Die Dena empfiehlt einen Wert von 16 Grad einzuhalten.

Das Absenken "reduziert den Energieverlust", bestätigt auch Marc Großklos vom Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt (IWU). Aber werden auch Heizkosten gespart, wo doch hinterher wieder hochgeheizt werden muss?

Kompliziert wird die simple Rechnung durch den zweiten Faktor, die Beschaffenheit von Wand und Fenstern. Wie groß der Gewinn beim Abkühlen auf die Solltemperatur ist und der Verlust beim Aufheizen auf die Wohlfühltemperatur, hängt indes von jeder Wohnung und ihrer Energiebilanz ab.

Je dünner, größer und undichter die Fassade ist, umso mehr Wärme geht verloren. Dann ist nach dem Herunterstellen der Heizung auch die Abkühlungsphase kürzer, in der die Radiotoren bis zum Erreichen des gewünschten Sollwerts gar nicht heizen müssen. Ebenfalls hängt in erheblichem Maße von der Fassade ab, wie viel Energie für das Aufheizen aufgewendet werden muss.

Ganz simpel gesagt, muss der Benutzer die Wärmeenergie, die tagsüber nach dem Herunterdrehen der Heizung aus seiner Wohnung, der Luft, den Möbeln und Wänden entwichen ist, abends wieder nachfüllen. Entwichene und nachgelieferte Energie können einander ausgleichen; dies gilt am ehesten, wenn die Wohnung gut isoliert ist.

In der Gesamtbetrachtung ergibt sich in so einem ausgeglichenen Fall dann ein Gewinn für den Bewohner. Denn zwischen dem Erreichen der Solltemperatur und dem Beginn der Aufheizphase verbraucht die Heizung nun einmal weniger Energie. Während der Zeit, in der sie bei einer Außentemperatur von minus vier Grad Celsius nur eine Raumtemperatur von 16 Grad Celsius statt 20 Grad Celsius halten soll (was bei handelsüblichen Thermostaten Stufe 2 statt Stufe 3 bedeutet), sinken Heizkosten und Energiebedarf um ein Sechstel.

"Unter dem Strich kann man tagsüber also mehr Energie einsparen, als man abends zum Wiederaufheizen braucht", sagt Jens Schuberth vom UBA. Auf Nachfrage räumt ein Vertreter von Wärme+ denn auch ein, die Empfehlung seiner Initiative, die Wohnung 18 Grad warm zu belassen, sei "vielleicht etwas pauschal".

18 oder 15 Grad?

Dabei gilt auch: Ist die Heizung lange auf eine niedrigere Temperatur gestellt, also für einen zehnstündigen Arbeitstag und nicht für das zweistündige Einkaufen, dann lohnt sich das Herunterregeln tendenziell mehr, weil die Phase des dazwischenliegenden Sparens länger dauert.

Gut für den Bewohner ist es zudem, wenn die Nachbarn länger zu Hause sind als er selbst. Weil dann Wärme auch aus deren Wohnungen durch die Trennwände fließt, dauert es länger, bis die eigene Bleibe die eingestellten 16 Grad erreicht und der Heizkörper wieder warm werden muss. Und umgekehrt schlägt es auf den Komfort, wenn die Heizung eher schlecht als recht funktioniert, weil sie dann lange braucht, bis sie nach der Rückkehr des Bewohners wieder eine angenehme Temperatur erzeugt hat.

Womöglich schadet dem Mieter, dessen Heizung zum Wiedererwärmen der Räume mit voller Leistung losbollert, noch eine Eigenheit der oft verwendeten Messgeräte für die Heizkostenabrechnung. Enthalten sie kleine Ampullen mit einer farbigen, langsam verdunstenden Flüssigkeit, kann das schnelle Aufheizen etwas teurer werden. Solche Instrumente zeigen höhere Werte an, wenn die Heizung für eine relativ kurze Spanne bis zum Anschlag heiß ist, als wenn die Radiatoren die gleiche Wärmemenge über längere Zeit abgeben. In beiden Fällen hätte der Bewohner zwar die gleiche Energie verbraucht, er würde dafür aber beim schnellen Hochheizen etwas mehr bezahlen.

Um solche Unterschiede - auch zwischen Nachbarn mit unterschiedlichen Gewohnheiten und Wohnungslagen - auszugleichen, werden in der Regel nur 70 Prozent der Heizkosten nach dem gemessenen Verbrauch und 30 Prozent nach der Fläche abgerechnet.

Etwas höhere Temperatur gegen Schimmel

Außer in solchen extremen Fällen können Menschen aber meistens Energie und Geld sparen, wenn sie die Heizung bei Verlassen der Wohnung herunterdrehen. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass das Umweltbundesamt offenbar gerade dabei ist, seine Tipps für die Heizungsabsenkung zu überarbeiten. Die Behörde prüft, ob sie künftig eine höhere Mindesttemperatur von 18 statt 15 Grad empfiehlt, sagt der dafür zuständige UBA-Mitarbeiter Jens Schuberth.

Hintergrund seien aber ausdrücklich nicht Erwägungen zum Energiesparen, sondern zur Raumhygiene. "Wenn ein Raum 15 Grad hat, dann können es öfter in Außenecken oder Nischen hinter der Heizung oder einem Vorhang weniger als 12 Grad sein - und dann schlägt sich da Feuchtigkeit nieder", sagt er. Es kann sich ungesunder Schimmel bilden.

Der Grund dafür ist eine Eigenheit der Luft. Sie kann bei höherer Temperatur mehr Feuchtigkeit aufnehmen. So erreicht Luft mit einer relativen Feuchtigkeit von 60 Prozent (einem im Winter in Wohnungen typischen Wert) ihr Limit, wenn sie auf 12 Grad abkühlt. Der enthaltene Wasserdampf beginnt dann, an geeigneten Flächen zu Tröpfchen zu kondensieren. "Wenn wir 15 Grad als Absenktemperatur angeben, dann ist das zu nahe an den 12 Grad, wo Ecken feucht werden können", sagt Schuberth. "Gesundheitsschutz geht vor."

Seine Behörde hält ohnehin die energetische Sanierung von Häusern für wichtiger als Verhaltensumstellungen ihrer Bewohner. In einem gut gedämmten Haus macht das Herunterdrehen der Heizung viel weniger aus als in einer zugigen Bude.

Allerdings nimmt das von Schuberth beschworene Problem mit der Feuchtigkeit eher zu. Weil die Luft sich nicht mehr von selbst austauscht, durch undichte Fenster zum Beispiel, müssen die Bewohner aktiv dafür sorgen, dass der Wasserdampf nach außen befördert wird. Er entsteht fortwährend beim Atmen, Kochen, Duschen und durch Zimmerpflanzen, was bei längerer Abwesenheit viel weniger der Fall ist. Acht bis 15 Kilogramm pro Tag können es in einem Vier-Personen-Haushalt sein, hat das Darmstädter IWU berechnet.

Sie loszuwerden, ist im Winter besonders wichtig, aber auch besonders einfach. Die kalte Luft draußen ist nämlich sehr trocken. Es genügt schon, vier bis sechs Minuten das Fenster ganz zu öffnen, beim Querlüften durch mehrere Zimmer sollen es sogar nur drei Minuten sein, empfehlen Fachleute.

Und wer sich nicht damit abfinden möchte, seine Wohnung auch während seiner Abwesenheit auf 18 Grad zu heizen, für den hat Marc Großklos vom IWU noch einen Tipp. Wer direkt vor dem Absenken noch einmal lüftet, treibt die Feuchtigkeit aus dem Raum.

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