Haustiere:Gefährlicher Trend zum Wolfhund

Heulendes Wolfsrudel

Wenn die Wölfe wie hier im Bayerischen Wald gemeinsam heulen oder jagen, stört das kaum jemanden. Doch wenn Mischlingstiere wölfisches Sozialverhalten zeigen, gibt es Ärger.

(Foto: United Archives/mauritius images)

In Deutschland wächst die Nachfrage nach Wolfhunden, Mischlingen aus Wolf und Hund. Doch viele unterschätzen, wie kompliziert und gefährlich die Haltung der Tiere sein kann.

Von Katrin Blawat

Auf den Namen dürfe man nichts geben, sagt ihr Besitzer. Shy, also "schüchtern", heißt das neunjährige Mischlings-Weibchen. Aber zurückhaltend sei sie wirklich nicht, da hätten sich die Vorbesitzer geirrt. Wie sie so vieles falsch eingeschätzt haben bei Shy. Zum Beispiel, dass sie sich mit ihr ein normales Haustier zugelegt hätten, nur eben eines mit einer Extraportion Wildnis.

Doch weit gefehlt: Shy ist ein Wolfhund, ein Mischling aus Wolf und Hund. Mit dem Ergebnis dieser Kreuzung waren die Vorbesitzer schnell überfordert, etwa wenn Shy immer wieder einen im selben Haushalt lebenden Husky anfiel. So kam die Wolfhündin zu Jos de Bruin, der im niederrheinischen Sonsbeck eine private Rettungsstation für alle möglichen Wolfs-Verwandten betreibt. "Bei mir ist Shy ganz unkompliziert", sagt de Bruin. Dann hat er noch ein Anliegen: Man solle bitte betonen, dass er keine weiteren Wolfhunde aufnehmen könne. Immer wieder erhält er Anfragen von Leuten, die mit ihrem Mischling nicht mehr zurechtkommen und ihn loswerden wollen.

In einer noch immer kleinen, aber wachsenden Szene kommen Wolfhunde zunehmend in Mode. Den Liebhabern dieser sehr speziellen Mischlinge fehlt das Wilde im Haushund. Zu brav, zu angepasst ist der ihnen. Aleksander Szumilas, Sprecher des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), spricht von einem "generellen Trend Richtung Exoten in der Heimtierhaltung", zu dem auch die Wolf-Hund-Mischlinge gehören. Auch Michael Eichhorn, der eine Hundeschule in der Pfalz betreibt und Erfahrung mit Wolfhunden hat, sagt: "Die Nachfrage ist massiv gestiegen in den vergangenen Jahren." Eichhorn schätzt ihre Zahl in Deutschland auf "um die 1000, mit einer großen Dunkelziffer". In den USA gibt es laut der Organisation Mission Wolf um die 250 000 Wolf-Hund-Mischlinge.

Nicht verwechseln darf man diese Tiere mit jenen offiziell anerkannten Hunderassen, die ebenfalls den Wolfhund im Namen tragen. Bei zweien von ihnen, dem Saarlooswolfhund und dem Tschechoslowakischen Wolfhund, wurden zwar einst ebenfalls Wölfe eingekreuzt, um den Deutschen Schäferhund aufzupeppen und schärfere Tiere für das Militär zu bekommen. Vor allem die Tschechoslowakischen Wolfhunde verhielten sich Fremden gegenüber jedoch extrem scheu - auch das gehört zum Wolfserbe. Das Experiment war damit gescheitert, auch wenn es beide Rassen bis heute gibt. Doch die letzte Einkreuzung von Wölfen liegt Jahrzehnte zurück. Bei den Tieren handelt es sich um normale - wenn auch anspruchsvoll zu haltende - Hunde.

Ein Haushund tut sich leichter mit den Menschen. Der Preis: Er wird nicht richtig erwachsen

Die Lehre, die die ersten Züchter des Tschechoslowakischen Wolfhunds erhielten, gilt noch immer. "Es ist ein Trugschluss, dass Wolf-Hund-Mischlinge das Beste aus Wolf und Hund vereinen", sagt Hundetrainer Eichhorn. "Meiner Meinung nach gehören diese Tiere verboten." Denn den Trend zum halbwilden Mischling im Wohnzimmer dürften viele der Tiere mit ihrem Leben bezahlen. Eichhorn hat selbst einmal einen Wolfhund von dessen überforderten Haltern übernommen. Das Tier musste eingeschläfert werden, weil sein ausgeprägter Beutetrieb Kindern hätte gefährlich werden können. "Das ist kein Einzelfall", sagt der Hundetrainer. Jeff Wagner von Mission Wolf schätzt sogar, dass in den USA acht von zehn Wolfhunden innerhalb ihres ersten Lebensjahrs eingeschläfert werden. Im Durchschnitt sterbe ein neunter durch Unwissen oder Unfälle - und der eine Mischling, der überlebt, ende obdachlos.

Wolfhunde sind schwierig zu halten. Wer mit ihnen zurechtkommen will, muss viel wissen über Hunde, Wölfe und deren Domestikation. Die eigentümliche Stellung zwischen Wild- und Haustier macht Wolfhunde weder für ein Leben in freier Natur noch in einem normalen Haushalt gut geeignet. Anderen Hunden gegenüber, vor allem gleichgeschlechtlichen, verhalten sie sich oft sehr aggressiv, der Lärm und Trubel der Zivilisation stresst sie. Auch fehlt ihnen die unbedingte Bereitschaft zur Kooperation mit dem Menschen - laut Michael Eichhorn "ein Rückschritt in der Domestikation". Normale Hunde hingegen haben über Zehntausende von Jahren gelernt, mit dem Menschen zusammenzuarbeiten. Der Preis dafür besteht darin, dass Canis lupus familiaris in mancher Hinsicht nie erwachsen wird.

"Übersteigerter Wunsch nach Individualität"

Wie anders Wolfhunde ticken, fällt in ihren ersten Lebensjahren oft noch nicht auf. Doch auch wenn sie sich einige Lektionen beibringen lassen, kommt es häufig nach drei Jahren mit Beginn der Pubertät zu Problemen. Das gilt selbst dann, wenn die letzte Einkreuzung eines Wolfes schon einige Generationen zurückliegt, also zum Beispiel auch bei einem Tier, dessen Eltern bereits selber Mischlinge aus Wolf und Hund waren. Jos de Bruin, der seine Wolfhündin Shy als "total unkompliziert" bezeichnet, sagt: "Der Halter muss sich seinem Wolfhund anpassen und nicht umgekehrt. Sonst funktioniert das nicht."

"Man kann diese Tiere nicht sozialisieren wie Hunde", sagt auch Christian Berge, nach eigenen Angaben der erste Züchter Amerikanischer Wolfhunde in Europa, das sind Mischlinge aus Wolf und zum Beispiel Deutschem Schäferhund. Seine erste Amerikanische Wolfhündin, in Kanada in Gefangenschaft geboren, kam 2007 zu ihm. 48 Wolfhund-Welpen sind bei Berge seitdem zur Welt gekommen, nur einen habe er je zurücknehmen müssen. Die Zucht erscheint lukrativ: 3000 Euro kostet ein Welpe von Berge normalerweise. "Manchmal verschenke ich einen. Ich könnte aber auch 5000 Euro nehmen", sagt der Züchter. Anfragen bekommt er auch aus Dubai, der Türkei und Italien. Seine Kunden erhielten ein Tier, das "extrem schön ist und einem nicht auf die Nerven geht wie ein Hund. Wolfhunde sind ruhig und unabhängig, nicht opportunistisch."

Der übersteigerte Wunsch nach Individualität, verbunden mit einem Jack-London-Mythos

Andere Fachleute sehen den Wunsch nach einem halbwilden Tier als Hausgenossen kritischer. Wolfhunde sollten einen "übersteigerten Wunsch nach Individualität" erfüllen, sagt Michael Eichhorn, "verbunden mit einem abstrusen Jack-London-Mythos". Auch Jeff Wagner von Mission Wolf sieht die Mischlinge als Platzhalter für ein letztes Stück Wildnis in einem durchtechnisierten Leben. "Der Wolf ist ein hervorragendes Symbol für alles Wilde", schreibt Wagner auf der Homepage der Organisation. "Solange der Wolf als gefährlich gilt, wird es immer Menschen geben, die die Bestie zähmen wollen."

Dem stehen jedoch nicht nur tierschützerische Bedenken vieler Fachleute entgegen, sondern auch juristische Hürden. Kreuzt man Wolf und Haushund, gelten die Nachkommen der ersten vier Generationen dieser Paarung in Deutschland als Wolf. Damit unterliegen die Tiere dem Artenschutzrecht. Wer sie halten will, braucht eine Genehmigung und muss eine Reihe von Anforderungen erfüllen, etwa ein ausbruchsicheres, hoch eingezäuntes Gehege inklusive Untergrabungsschutz vorweisen. "Eine reine Wohnungshaltung ist verboten", sagt Aleksander Szumilas vom LGL. Aus seiner Sicht sind Haltung und Zucht von Wolfhunden bis einschließlich der vierten Nachkommen-Generation "insgesamt abzulehnen".

Von der fünften Generation an wird es dann jedoch auf einen Schlag sehr unkompliziert. Nun gelten die Mischlinge als normale Hunde. Die klare Trennung funktioniert auf dem Papier einwandfrei. In der Praxis kann man einem Tier aber nicht ansehen, der wievielten Generation nach der letzten Wolf-Einkreuzung es angehört. Auch genetische Tests helfen nicht weiter, weil sich die Erbanlagen von Wolf und Hund sehr ähneln.

So bleibt nur, sich auf die Angaben der Züchter und Halter zu verlassen. Dass diese meist der Wahrheit entsprechen, bezweifelt Eichhorn. "Da wird getäuscht, gelogen und in den Papieren gefälscht", sagt der Hundetrainer. Mischlinge der ersten vier Nachkommen-Generationen würden als fünfte Generation ausgegeben, um die behördlichen Auflagen zu umgehen. Wolfhund-Züchter Berge sagt: "Es gibt sicher ein, zwei solcher Beispiele. Aber da geht es um wenige Fälle." Aus seiner Sicht liegt das Problem vielmehr auf der anderen Seite: bei Internet-Verkäufern, die vermeintliche Wolfhunde anbieten würden, obwohl sich gar kein Wolf in der Ahnenreihe der Tiere befände.

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