Etliche Fragen rund um die Corona-Seuche bleiben weiter ungeklärt, doch eine Gewissheit gibt es nun immerhin: Wissenschaftler haben entschlüsselt, welche psychischen Merkmale dazu beitragen, dass Menschen Klopapier horten. Nachdem viele Länder Kontaktbeschränkungen verhängten, kam es zu einem seltsamen Phänomen: Vernunftbegabte Erwachsene legten Vorräte an Toilettenpapier an, die den Eigenbedarf weit überstiegen. Manche Hersteller steigerten ihren Umsatz um bis zu 700 Prozent. Aber welche Menschen hamsterten besonders viel? Und warum?
Psychologen und Ökonomen der Universitäten Münster und St. Gallen sowie vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben mehr als 1000 Erwachsene über die sozialen Medien kontaktiert und untersucht, wie Klopapier-Kauf und Persönlichkeitszüge zusammenhängen. Die Ergebnisse sind gerade im Fachblatt Plos One erschienen. Eine große Rolle spielte dabei scheinbar das eigene Angstempfinden. Wer sich von dem Virus besonders bedroht fühlte, neigte demnach eher zu Hamsterkäufen. "Je größer die Angst vor der Seuche, desto häufiger gingen Menschen einkaufen, nahmen mehr Packungen mit und legten größere Vorräte an", schreiben die Autoren. Dieses Verhalten war unabhängig vom Einkommen und der Entfernung zum nächsten Supermarkt.
Familie:Was tun, wenn die Schwester hamstert?
Julia B. ärgert sich über ihre Schwester, die Unmengen an Klopapier und Fertiggerichten gekauft und eingelagert hat. Ist es richtig, einen Hamsterkäufer in der Familie zur Rede zu stellen? Unsere Experten antworten.
Neben der emotionalen Labilität können aber auch Charakterzüge wie Perfektionismus und Gewissenhaftigkeit den Drang zur Vorratshaltung bestärken. Wer akribisch plant und vorausschauend handelt, tendiert offenbar in Zeiten der Ungewissheit dazu, übertriebene Vorsorge zu treffen. Anders als oft angenommen, handeln perfektionistische Menschen also nicht durchweg rational. Es waren also nicht Egoismus und Selbstsucht, die viele zu den Panikkäufen trieben - sondern typische Wesenszüge, so die Autoren.
Seit Anfang Mai keine Hamsterkäufe mehr
Aber auch andere Merkmale hatten Einfluss auf das Kaufverhalten: So zeigt die Studie, dass ältere Menschen eher zum Hamstern neigten als jüngere. Und dass Nordamerikaner größere Vorräte anlegten als Westeuropäer. Ersteres lässt sich womöglich damit erklären, dass das Alter als größter Risikofaktor für längere Verläufe von Covid-19 gilt und die ältere Generation zudem vom Mangel der Nachkriegszeit geprägt ist. Die Tendenz zur Lagerhaltung in den USA mag mit der Unberechenbarkeit des Mannes im Weißen Haus zu tun haben - oder daran liegen, dass dort XXL-Packungen mit 36 Rollen üblich sind.
Die Autoren betonen, dass das Horten von Toilettenpapier weder Menschenleben rettet noch Arbeitsplätze sichert: "Wir waren spontan von dem neuen Phänomen fasziniert - warum Klopapier so sehr im Vordergrund stand, haben wir nicht klären können", sagt Theo Toppe, einer der beteiligten Forscher. "Toilettenpapier funktioniert vielleicht als subjektives Symbol der Sicherheit - womöglich war der Kauf auch eine Art Übersprungshandlung, um sich zu beruhigen." Branchenverbände beobachten seit Anfang Mai keine Hamsterkäufe mehr - im Gegenteil: Der Umsatz von Toilettenpapier ging stark zurück. Ein beruhigendes Zeichen der "neuen Normalität".