Halskette aus Adlerkrallen:Neandertaler trugen Schmuck

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Die acht Adlerkrallen aus der Höhle von Krapina wurden bearbeitet. (Foto: PLoS)
  • Neandertaler haben bereits Schmuck getragen und verfügten über das Wissen zu seiner Herstellung, berichten Anthropologen.
  • Eine Kette aus acht verzierten Adlerkrallen, die in Kroatien gefunden wurde, ist das bislang älteste in Europa gefundene Schmuckstück.
  • Die Produktion des Artefakts deutet auf abstraktes Denkvermögen hin.

Von Hubert Filser

Die acht polierten Adlerkrallen sehen aus wie Elfenbein. Man kann sich gut vorstellen, wie hübsch sie zu einem Schmuckstück vereint am Hals eines Steinzeitmenschen aussahen. Es ist der mit 130 000 Jahren wohl älteste Schmuck, der bislang in Europa entdeckt wurde, gefunden in der Krapina-Höhle im Norden des heutigen Kroatien. "Diese Funde zeigen eindeutig, dass die Neandertaler Schmuck herstellten", schreiben die Anthropologen um den Amerikaner David Frayer und Davorka Radovčić vom Kroatischen Naturhistorischen Museum in Zagreb in der aktuellen Ausgabe von PLoS (online). Bisher hatte man eine solche Leistung zu einem derart frühen Zeitpunkt nur modernen Menschen zugetraut.

Das ist insofern bemerkenswert, als symbolische Muster wie die Kerben auf den Seeadlerkrallen als Meilensteine in der kognitiven Entwicklung der Menschheit gelten. Sie weisen auf Abstraktionsvermögen hin, was wiederum die Voraussetzung für eine komplexe Kommunikation ist. Anders als bisher gedacht, besaßen die Neandertaler offenbar diese Fähigkeiten.

Armkettchen oder Halsband

Allerdings ist es schwierig, die Bedeutung solcher Ritzungen oder Schnittmuster auf Knochen, Krallen oder an Felswänden zu interpretieren. Oft lässt sich nur klären, ob die Zeichen zufällig oder absichtlich entstanden. Im Fall der acht Krallen aus der Krapina-Höhle sind die Bearbeitungsspuren nicht zufällig. Es finden sich zahlreiche Schnittspuren und tiefe Kerben, einige der Flächen sind poliert, einige Kanten geglättet. An manchen Stellen sind die Krallen auch abgerieben, ein Zeichen des Verschleißes, so als wurden die Stücke oft benutzt. Deshalb glauben die Anthropologen auch, dass die Krallen und ein Zehenknochenstück als Armkettchen oder als schmuckes Halsband getragen wurden.

Die acht Adlerkrallen aus der Höhle von Krapina wurden bearbeitet. (Foto: PLoS)

Die höhlenartige Vertiefung direkt unter dem Felsüberhang von Krapina ist einer der ältesten bekannten Siedlungsplätze der Neandertaler; dort fanden Archäologen bereits vor mehr als hundert Jahren menschliche Überreste von mehr als 80 Individuen, dazu Tausende Tierknochen und Steinwerkzeuge. Aufgrund der Dichte der Funde halten es Forscher für möglich, dass die Neandertaler unter dem Überhang ihre Toten bestatteten.

Da einige der zerbrochenen Knochen auch Schnittspuren aufweisen, war früher über möglichen Kannibalismus bei Neandertalern spekuliert worden. Inzwischen hält man das für unwahrscheinlich: Die Spuren lassen sich nämlich nicht auf Vorgänge wie das Abschaben oder Zerlegen von Fleisch zurückführen. Forscher wie der amerikanische Anthropologe Erik Trinkaus vermuten eher einen rituellen Kontext. Die Adlerkrallen sprechen ebenfalls dafür. Seeadler waren auch vor 130 000 Jahren sehr selten und es war äußerst mühsam, sie zu jagen. Die Krallen stammen von drei oder vier verschiedenen Vögeln. In prähistorischen Fundstellen tauchen sie extrem selten auf, dies spricht dafür, dass sie für ihre Besitzer überaus wertvolle Stücke waren.

© SZ vom 12.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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