Süddeutsche Zeitung

Gentechnik:Alles beim Alten

Auch in ihrem neuen Grundsatzprogramm haben die Grünen ihre Haltung zur Gentechnik nicht wirklich geändert. Warum das jedoch längst überfällig wäre.

Von Kathrin Zinkant

Es ist überfällig, dass die Grünen endlich aufmachen gegenüber der neuen Gentechnik. Einige Delegierte haben das auf dem Parteitag tapfer versucht. Doch wenn die Grünen in ihrem Kompromiss zum neuen Grundsatzprogramm nun weiter auf Risikoforschung, Vorsorgeprinzip und strenge Regulierung bestehen, zeigt das eigentlich nur eins: dass die Partei nach wie vor weder die Biologie der Pflanzenzucht noch das Kernproblem der alten Gentechnik versteht.

Risikoforschung zum Beispiel findet längst statt, genaugenommen schon seit 10 000 Jahren - seit der Mensch damit begonnen hat, mehr oder weniger ungenießbare Pflanzen anzubauen und inkrementell nach seinen Wünschen zu verändern. Diese Veränderungen waren immer genetisch. Die neuen Gentechniken erzeugen nichts, was sich von diesen Veränderungen unterscheidet. Und es ging immer darum, der Natur etwas abzuringen, was sie freiwillig in dieser Form nie hergegeben hätte: neue Sorten mit hohen Erträgen, die Krankheiten widerstehen, die zu Boden und Klima passen. Jede einzelne Nutzpflanze ist deshalb genetisch manipuliert. Immer schon.

Die alte Gentechnik unterscheidet sich methodisch etwas von der neuen, aber gerade sie zeigt eindrücklich, was Verhinderungspolitik bewerkstelligt: Auch die Grünen lehnten das fortschrittliche, vielseitig einsetzbare Verfahren damals unter Vorwänden ab, forderten strenge Regulierung - und überließen die Technologie damit den Konzernen. Die konnten sich die Zulassungen leisten. Lohnen tat sich das aber nur mit einer rücksichtslosen Wertschöpfung im industriellen Maßstab. Das ist ein wichtiger Grund, warum die alte Gentechnik vorwiegend herbizidresistente Pflanzen hervorgebracht und weltweit zu einem astronomischen Verbrauch von Glyphosat und anderen Ackergiften geführt hat.

Heute hält diese Folge der eigenen Ablehnung immer wieder als Beweis dafür her, dass Gentechnik Teufelswerk ist, dass sie reguliert werden und vor allem rückverfolgbar sein muss - was genauso sinnfrei ist wie die Forderung nach mehr Risikoforschung. Man müsste die Rückverfolgbarkeit ebenso für jede alte Apfelsorte oder jeden Bioweizen fordern. Mehr helfen würde es, zu überlegen, wie man das Potenzial der neuen Zuchtmethoden für die eigenen guten Ziele nutzt und durch politische Gestaltung auch Kleinbauern und Ökolandwirten zugänglich macht. Gentechnik, ob neu oder alt, wird niemals das einzige notwendige Mittel sein, um die Ausbeutung von Böden, einen global eskalierten Pestizideinsatz und den Hunger zu bekämpfen. Dazu braucht es mehr als Crispr und Co. - es braucht Fruchtfolgen, Wassermanagement und die Abkehr von Massensubventionen für die Agrarindustrie.

Doch es braucht auch Pflanzen -, um Böden zu schonen, den Pestizidverbrauch zu minimieren, neue Diversität zu schaffen. Das ist es, was die Forschung will und möglich macht. Wissenschaftler können Nutzpflanzen mit den neuen Methoden binnen Monaten zurückgeben, was die Ertragsoptimierung ihnen genommen hat. Doch was hilft das, wenn diese Sorten nie auf den Acker kommen? Es ist deshalb begrüßenswert, dass die Grünen jetzt immerhin das Grundgesetz und die Freiheit der Forschung anerkennen. Aber das Beharren auf unsinnigen Forderungen wie Risikoforschung, Rückverfolgbarkeit und Regulierung zeigt, dass den Grünen zum Regieren etwas Entscheidendes fehlt: der Wille, Pionier zu sein.

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