Grüne Gentechnik:Unverkäufliche Kreaturen

Grüne Gentechnik: Viele Pflanzenzüchter glauben, dass mit alten Genen aufgepeppte moderne Arten wie dieser Redlove-Era-Apfel auf dem Markt kaum eine Chance hätten.

Viele Pflanzenzüchter glauben, dass mit alten Genen aufgepeppte moderne Arten wie dieser Redlove-Era-Apfel auf dem Markt kaum eine Chance hätten.

(Foto: Lubera)

Züchter müssen ihre Pflanzen als gentechnisch verändert markieren, selbst wenn die fremden Gene aus eng verwandten Arten stammen. Solche Pflanzen wären auch mit herkömmlichen Züchtungsmethoden herzustellen - allerdings in jahrzehntelanger Arbeit. Die wirtschaftlichen Folgen der Kennzeichnungspflicht können verheerend sein.

Von Hanno Charisius

In Asien gibt es Äpfel mit rotem Fruchtfleisch. Sie bilden reichlich sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe, die als besonders förderlich für die menschliche Gesundheit gelten - die Früchte schmecken aber sehr bitter. Vor einigen Jahren hat der neuseeländische Molekularbiologe Richard Espley aus den alten asiatischen Sorten die Erbanlagen isoliert, welche die rote Farbe verursachen, und sie in Pflanzen transplantiert, die Äpfel der Sorte Royal Gala tragen. Das Ergebnis war eine süße Frucht mit rotem Fleisch.

Würde ein Händler diese Sorte in Deutschland auf den Markt bringen wollen, müsste er sie als "gentechnisch verändert" kennzeichnen. So markiert wäre solches Obst hier ziemlich sicher unverkäuflich, trotz des womöglich gesundheitsfördernden Effekts der Pflanzenfarbstoffe. In einem aktuellen Aufsatz fragen sich dänische Forscher nun, warum das so ist - und was man daran ändern könnte.

Züchtung dauert nur wenige Jahre

Wenn Zuchtlinien durch Beimischung von Erbanlagen aus alten Wildsorten wieder ein bisschen verwildert wurden, sprechen Biotechnologen von "cisgenen" Pflanzen. Anders als "transgene" Gewächse bekommen sie nämlich keine Gene einer fremden Spezies eingepflanzt, sondern nur Erbanlagen von einer eng verwandten Art, mit der sie sich auch auf natürliche Weise mischen könnten. Mit sehr viel Geduld könnte man cisgene Pflanzen genauso durch klassische Züchtung, durch mehrfaches Kreuzen und Rückkreuzen erschaffen.

Viele Züchter fragen sich jedoch, warum sie sich diese Arbeit machen sollten, die leicht eine Menschengeneration dauern kann, nur um zu einem Ziel zu kommen, das man mit gentechnischen Methoden in wenigen Jahren erreichen kann. Dank neuer Verfahren sind solche genchirurgischen Eingriffe heute nicht nur wesentlich einfacher zu bewerkstelligen als noch vor wenigen Jahren, sie sind auch viel präziser geworden und führen so zu weniger unerwünschten Nebeneffekten.

Besonders ein Werkzeug namens Crispr/Cas regt die Phantasie der Züchter an. Früher wurde das Erbgut, das Gentechniker einschleusten, vom Zufall gesteuert in das Genom der Pflanzen eingebaut. Heute können die Bioingenieure mit der Crispr-Technik ein Gen Baustein für Baustein verändern - und das, ohne dabei Spuren zu hinterlassen. So lassen sich Gene einsetzen, herausschneiden oder verändern. Mutationen können präzise korrigiert werden. Mit Crispr/Cas erschaffene cisgene Pflanzen könnten durch zufällige Mutation und Kreuzung exakt genauso auf natürlichem Wege entstehen - der Unterschied liegt in der Technik, nicht in der Biologie. Bleibt die Frage, ob die Gesellschaft bereit ist für solche Kreaturen.

Umweltschützer sagen: Gentechnik bleibt Gentechnik

Bislang hat die Grüne Gentechnik keinen guten Ruf. Manche halten sie für gefährlich für Menschen, Tiere und Umwelt. Andere kritisieren die Industrialisierung der Landwirtschaft, die mit der Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen einhergehe, und befürchten schwerwiegende soziale Folgen für Bauern, besonders in armen Ländern. Lebensmittel, die Zutaten aus gentechnisch veränderten Organismen enthalten, müssen gekennzeichnet werden. Nicht weil sie eine bekannte Gefahr für die Verbraucher bergen würden, sondern um Wahlfreiheit zu ermöglichen.

Zumindest in Europa würde diese Regelung auch für jene neue Generation von Pflanzen gelten, der per Crispr-Technik Gene von Artverwandten eingepflanzt wurden, auch wenn niemand den Eingriff nachweisen könnte. Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen machen sich bereits stark dafür, dass dies auch so bleibt. Für sie spielt es keine Rolle, welche Technik zur Anwendung kommt und auch "wo das Gen herkommt, ist unerheblich", sagt zum Beispiel Dirk Zimmermann von Greenpeace. Gentechnik bleibt für ihn Gentechnik, egal, wie das Ergebnis aussieht.

Aufklärung soll Akzeptanz schaffen

Viele Pflanzenzüchter und -forscher glauben deshalb, dass solche mit alten Genen aufgepeppten modernen Arten auf dem Markt kaum eine Chance hätten, es sei denn, sie würden von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen. "Studien belegen, dass viele Verbraucher Vorbehalte gegenüber Produkten haben, die gentechnisch veränderte Organismen oder Teile davon enthalten", erklärt der Molekularbiologe Michael Palmgren von der Universität von Kopenhagen. Das liege vor allem daran, dass solche Produkte als fremdartig wahrgenommen werden.

Mit den neuen Werkzeugen "verwilderte" Pflanzen würden seiner Meinung nach kaum besser dastehen in der öffentlichen Meinung. Dabei ergebe es keinen Sinn, eine klassisch gezüchtete Pflanze als natürlich zu betrachten und die andere als fremdartig abzukanzeln, "allein aufgrund der Methode, mit der das selbe Ziel erreicht wurde".

Wissenschaftler fordern offene Diskussion

Zusammen mit 13 Kollegen analysierte Palmgren, warum gentechnisch veränderte Pflanzen gerade in Europa so einen schweren Stand haben. In einem Artikel in der Fachzeitschrift Trends in Plant Science suchen die Forscher auch nach Faktoren, die den neuen Pflanzen mehr Akzeptanz verschaffen könnten. Sie glauben, dass die neuen Schöpfungen nur dann eine Chance haben, wenn von Anfang an alle sozialen, ökonomischen, rechtlichen und ethischen Aspekte berücksichtigt und offen diskutiert werden.

Die Vernachlässigung dieser Themen erkannte der US-Philosoph Bernard Rollin von der Colorado State University bereits vor einigen Jahren - neben allgemein fehlendem Wissen über gentechnologische Verfahren in Öffentlichkeit - als Ursache für die breite Ablehnung der Gentechnik. Rollin prägte den Begriff "Frankensteinsyndrom" für das Unbehagen, mit dem die Bevölkerung an gentechnisch veränderte Organismen denkt. Und er glaubt, dass Aufklärung das beste Mittel dagegen wäre.

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