Mehr als ein Zentimeter lang:Größtes Bakterium der Welt entdeckt

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Zwei Exemplare von Thiomargarita magnifica. (Foto: Jean-Marie Volland)

Einzeller sind meist so winzig, dass man sie nur unter einem Mikroskop sehen kann. Nun ist das mehr als einen Zentimeter lange Bakterium Thiomargarita magnifica aufgetaucht - und stellt die gängige Lehrmeinung völlig auf den Kopf.

Von Hanno Charisius

Auf abgestorbenen Mangrovenblättern vor der Karibik-Insel Guadeloupe hat ein internationales Forscherteam Bakterien entdeckt, die etwa einen Zentimeter lang sind und sich mit bloßem Auge beobachten lassen. Die bislang bekannten größten Einzeller sind etwa 50 Mal kleiner. Die allermeisten Bakterienarten sind so winzig, dass sie sich nur unter einem Mikroskop studieren lassen. Der Meeresbiologe Jean-Marie Volland, der an der ersten Untersuchung der Riesenbakterien beteiligt war, vergleicht den Fund "mit der Entdeckung eines Menschen, der groß ist wie der Mount Everest". Die Gruppe um Volland vom Joint Genome Institute am Lawrence Berkeley National Laboratory gab dem Riesenbakterium den Namen Thiomargarita magnifica.

Neben der erstaunlichen Größe, die sämtliche bisher angenommenen Grenzen für mikrobielles Leben pulverisiert, hat T. magnifica weitere im Bakterienreich einzigartige Eigenschaften, die die Biologen noch mehr staunen lassen. Das langgestreckte Bakterium enthält zahlreiche Kopien seines Erbguts, die wohlverpackt und mit biochemischer Energie versorgt in Organellen an der Hülle lagern. So etwas ist bei Bakterien bislang noch nie beobachtet worden. Normalerweise treibt das Erbgut von Mikroben in den Einzellern herum und ist nicht abgetrennt vom übrigen Zellinhalt.

Möglicherweise warten noch weitere Riesenbakterien auf ihre Entdeckung

T. magnifica gehört zu den Schwefelbakterien, die ihre Energie vor allem aus Schwefelverbindungen beziehen. Auch andere Vertreter dieser Familie erreichen für Bakterien erstaunliche Größen. Thiomargarita namibiensis wird fast einen Millimeter groß und lebt ausschließlich am Meeresboden. Erstmals wurde dieses Spezies vor der Küste Namibias beschrieben. Diese für einzellige Lebewesen gigantische Dimensionen lassen sich kaum noch als Mikroorganismen beschreiben. T. magnifica ist weit größer als viele andere mehrzellige Lebewesen wie Bärtierchen, Fadenwürmer oder Fruchtfliegen.

Die Forscher um Volland spekulieren in ihrem Fachartikel im Wissenschaftsjournal Science, dass die außergewöhnliche Membranstruktur mit den eingelagerten Organellen es den Einzellern erlauben, so groß zu werden und die typischen physikalischen und bioenergetischen Grenzen einzelligen Lebens zu umgehen. Und das Team vermutet, dass es weitere Riesenbakterien geben könnte, die noch auf ihre Entdeckung warten.

Wie weiße Filamente haften die Einzeller auf abgestorbenen Blättern unter Wasser. Bislang ist es dem Team um Volland noch nicht gelungen, die Bakterien im Labor zu züchten, weswegen auch noch viele Fragen zur Lebensweise unbeantwortet sind. Auch die ökologische Rolle der Bakterien im Mangrovenwald hat die Gruppe noch nicht erfasst. Bislang lässt sich nur sagen, dass die Bakterien neben abgestorbenen Blättern auch auf Muscheln, Glas und Plastik haften können.

Wie sie es schaffen, so groß zu werden, ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine faszinierende Frage. Warum die Bakterien so riesig werden müssen, sei allerdings ebenfalls noch offen, schreibt die Mikrobiologin Petra Anne Levin von der Washington University in St. Louis in einem begleitenden Kommentar. Sie wirft in ihrer Analyse auch die Frage auf, ob mit T. magnifica nun wirklich die Grenze für bakterielles Wachstum feststeht. Dies erscheint ihr unwahrscheinlich, "Bakterien sind unendlich anpassungsfähig, immer für eine Überraschung gut und sollten niemals unterschätzt werden."

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