Die schmelzenden Gletscher Grönlands transportieren immer mehr Sedimente an die Küste. Künftig könnte der Sandabbau deshalb ein erheblicher Wirtschaftsfaktor für das Land werden, schreiben Forscher um Mette Bendixen von der University of Colorado Boulder im Fachblatt Nature Sustainability. Wenn Grönland sich entschiede, den Sand im großen Stil abzubauen, hätte das laut den Berechnungen spürbare Auswirkungen auf den Weltmarkt: Schon heute entfallen auf die Flüsse der größten Insel der Erde sieben bis neun Prozent des globalen Transports von Flusssedimenten in die Ozeane. Nur ein winziger Bruchteil davon wird genutzt.
Wenn der Eisschild Grönlands weiter taut, gibt er noch mehr Sand und Kies frei, die mit dem Schmelzwasser abtransportiert werden. Sie treffen auf eine Küste, die nicht mehr nur etwa die Hälfte des Jahres, sondern teils fast ganzjährig eisfrei und somit für Schiffe und Bagger zugänglich ist. Die Forscher schätzen, dass der Marktwert des jährlich an der Küste abgelagerten Sandes schon heute mehr als der Hälfte der grönländischen Wirtschaftsleistung von 2,2 Milliarden Dollar entspricht. In wenigen Jahrzehnten werde er sie übersteigen.
Weil Sand global immer knapper wird, könnte der Abbau nicht nur eine Chance für das wirtschaftlich schwache Grönland sein. Vor allem die Bauindustrie braucht Sand als Grundstoff in Beton und Asphalt für Gebäude und Straßen. Wüstensand ist dafür nutzlos, weil er vom Wind rundgeschliffen ist. Die Nachfrage nach Sand von Küsten und Flussdeltas hingegen wächst immer weiter, während das Angebot bei zehn Milliarden Tonnen jährlich stagniert.
Wenn nutzbarer Sand 15 Prozent der Sedimente ausmacht, könnten allein an der Mündung des Sermeq-Gletschers in Südwest-Grönland jährlich 33 Millionen Tonnen Sand zusätzlich abgebaut werden, schreiben die Wissenschaftler.
Fragt sich allerdings, ob der Abbau sich auch mit der empfindlichen Natur Grönlands verträgt. Aufgewirbelte Sedimente, zusätzliche Infrastruktur und eingeschleppte invasive Arten könnten es der arktischen Landschaft schwerer machen, sich an den Klimawandel anzupassen.
"Das Volk von Grönland muss dabei sein", sagt Co-Autor Minik Rosing vom naturgeschichtlichen Museum der Universität Kopenhagen laut einer Mitteilung der Universität Colorado. Behörden und Industrie müssten zusammenarbeiten, um Umweltschäden möglichst gering zu halten.